Das sechste Opfer (German Edition)
Autoverkäufer, der bei einem Raubüberfall erstochen wurde. Und vor kurzem Andreas Werner.«
Ich dachte kurz nach, doch auf den ersten Blick fielen mir keine auffälligen Zusammenhänge auf.
»Da springt einem nicht sofort ins Auge, was die sechs verbindet. Außer, dass ihre Berufe mit A oder B anfangen. Autoverkäufer, Apotheker, Buchhalter. Aber ich denke mal, das ist Zufall. Oder wir haben es mit einem A-B-C-Mörder zu tun. Als nächstes kommen Chemiker und Chefköche dran.«
Franz sah mich mit einem seltsamen Blick an, der wohl besagte, dass ich lieber meine Klappe halten sollte. Das tat ich dann auch und dachte stattdessen weiter nach.
Franz hatte zuerst eine Idee.
»So oberflächlich betrachtet finden wir keine Zusammenhänge außer der Unterschrift des Staatsanwaltes. Ich denke, wir müssen die Familien befragen, ob es irgendwo Schnittstellen gab. Ein gemeinsames Café, in dem sie mal unangenehm aufgefallen sind, oder derselbe Zahnarzt oder so was.«
»Okay.«
Bei dem Gedanken, wieder trauernde Witwen befragen zu müssen, wurde mir zwar etwas schlecht, aber ich schluckte die Übelkeit mit einem Schluck heißen Kaffees runter, den mir die Kellnerin gerade gebracht hatte.
»Ich würde sagen, wir teilen die Fälle auf. Du nimmst den Buchhalter, den Autoverkäufer und den Anwalt. Die Adressen sind jeweils auf der letzten Seite der Akte. Während ich mich um den Bauunternehmer und den Apotheker kümmere. Und ich werde außerdem meinen Rechtsmedizinern mal etwas auf den Zahn fühlen.«
»Gut.«
Er schob mir drei Akten über den Tisch und behielt die beiden anderen sowie die von Andreas Werner.
»Kannst du dich morgen wieder hier mit mir treffen?«
»Klar. Zur gleichen Zeit?«
»Ja. Viel Glück.«
»Dir auch.«
Ich trank noch meinen Kaffee aus, während Franz bereits sein Telefon zückte und ein Telefonat mit einem geheimnisvollen Freund in der Gerichtsmedizin führte. Dann stand ich auf, nahm die Akten und ging hinaus zu meinem Auto.
***
Zuerst besuchte ich die Familie des ehemaligen Buchhalters in Berlin-Tempelhof. Das erste Opfer auf Franz' Liste.
Gegen elf Uhr stand ich vor einem grauen, verwaschenen Reihenhaus im Fünfziger-Jahre-Stil. Schnell und schnörkellos hochgezogen, um den Kriegsüberlebenden so schnell wie möglich Wohnraum zu verschaffen. Die Wohnungen waren meistens einheitlich geschnitten, recht einfach und nicht sonderlich groß. Aber bezahlbar, da große staatliche Wohnungsbaugenossenschaften Bau und Vermietung übernommen hatten, bis sie jetzt nach und nach in private Hände übergingen.
Ein winziger Vorgarten täuschte Vorortidylle vor, aber der Rasen war kahler als der Kopf von Kojak, und zwischen den einzelnen, einsamen Grashalmen lagen Müll und Hundehaufen. Dem Zaun davor fehlten mehrere Latten, so dass er aussah wie das Grinsen eines Erstklässlers.
Ich klingelte an der Haustür. Nur wenig später ragte der Kopf einer älteren Frau aus dem Fenster im ersten Stock.
»Wer sind Sie?«
»Peter Mustermann. Ich schreibe für den Financial Report und würde Ihnen gern ein paar Fragen über Herrn Zappis stellen.«
»Der wohnt hier nicht mehr.«
Sie war drauf und dran, den Kopf wieder einzuziehen, doch ich rief ihr wieder zu.
»Können Sie mir vielleicht weiterhelfen? Wissen Sie, wo seine Familie jetzt lebt?«
»Ich bin seine Familie. Seine Ex-Frau.«
Ex-Frau? Nicht Witwe?
»Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Frau Zappis?«
»Ich heiße jetzt Meyer, bin wieder verheiratet.«
Sie nickte einer älteren Frau zu, die auf einem Fahrrad die Straße runterradelte. Die Frau auf dem Fahrrad nickte zurück.
»Es geht schnell, hoffe ich.« Ich ließ nicht locker.
»Für wen arbeiten Sie?«
»Ich bin Reporter für den Financial Report.«
»Oh Gott, noch so ein Medienheini. Na gut, kommen Sie rein.«
Ihr Kopf verschwand vom Fenster. Nur wenige Sekunden später summte der Türöffner und ich durfte eintreten.
Ich ging ein dunkles Treppenhaus hinauf in den ersten Stock, wo bereits eine Wohnungstür offen stand. Frau Meyer wartete schon auf mich.
Sie war eine Frau im mittleren Alter, ihre Haare zeigten bereits mehrere graue Strähnen, die Falten um ihre Augen hatten sich tief in die Haut geritzt und ihre Figur zeugte von zu vielen Kartoffel-Chips und Schokoladen-Eis. Sie trug ein einfaches Kleid, das leider schon über ihren Knien aufhörte und ihre fleischigen Knie zeigte. Sie trug weder Strümpfe noch Strumpfhosen.
Sie bat mich in eine kleine, in Brauntönen gehaltene Diele, die frisch renoviert
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