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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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essen und danach vielleicht ein Museum besuchen.
Um mein Gewissen zu beruhigen und ihr entgegenzukommen, beschloss ich, das Treffen mit Franz auf Montag zu verschieben.
Doch als ich bei ihm anrief, reagierte Franz nicht. Ich musste mit seinem Anrufbeantworter vorlieb nehmen, dem ich sagte, dass ich nicht kommen würde. Aber als ich auf die Uhr sah, wurde mir klar, dass er wahrscheinlich schon unterwegs war. Ich versuchte es also auf seinem Handy, doch das war ausgeschaltet.
Ich schloss einen Kompromiss mit mir: Ich würde Nicole den Gefallen tun und mit ihr einen kleinen Spaziergang unternehmen und mich danach doch noch mit Franz treffen. Ich wollte ihn nicht versetzen, wenn ich ein paar Minuten später kam, würde er es wahrscheinlich gar nicht bemerken.
Draußen empfing uns ein wunderschöner, klarer Frühlingsmorgen. Die Sonne schien warm von einem blauen Himmel herab. Die Narzissen und Tulpen in den Gärten blühten um die Wette, selbst die Bäume grünten teilweise schon in voller Pracht, und auf den Wiesen leuchtete das Gelb des Löwenzahns zwischen den saftigen Gräsern. Nicole hatte recht gehabt: Es tat gut, die klare Luft zu genießen.
Nach dem Morgenspaziergang verabschiedete ich mich von meiner Frau, die mich jetzt tatsächlich ohne Murren gehen ließ, setzte mich in mein Auto, um, wie verabredet, Richtung Charlottenburg zum Schrottplatz zu fahren. Ich kurbelte ein Fenster hinunter und ließ die milde Frühlingsluft hinein.
Die Straßen waren an diesem Sonntagmorgen wohltuend leer, so dass ich wahrscheinlich nicht sehr viel später als vereinbart ankommen würde.
    Zuerst fuhr ich durch eine gutbürgerliche Gegend mit großen Grundstücken, auf denen adrette Häuser, auf manchen sogar regelrechte Prunkbauten standen. Ich bog in eine Seitenstraße ab und kam damit in ein kaum bewohntes Gebiet. Am Ende der Straße lag schließlich der Schrottplatz. Das große Tor stand einladend offen, so dass ich ungehindert hineinfahren konnte. Auf der linken Seite befand sich ein Parkplatz, der anscheinend für Besucherautos vorgesehen war, denn dem Rest der Fahrzeuge auf dem Gelände sah man an, dass sie schon bessere Zeiten gesehen hatten.
Ich parkte meinen Wagen dort und hoffte, dass niemand ihn antasten würde, auch wenn er nicht mehr zu den jüngsten Modellen gehörte. Dabei hielt ich bereits nach Franz Ausschau, doch konnte ich ihn nirgends entdecken.
Ich ging zu einem kleinen Häuschen in der Nähe des Eingang, das wie das Büro des Managers aussah. Daneben war ein kleines Kabuff, eine Art Schuppen, in dem aus der offenen Tür jede Menge Gerät zu sehen war.
Auch das Haus des Managers stand offen, doch weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.
Ich ging ein bisschen zwischen den Autoleichen umher, die sich hier übereinander und nebeneinander türmten und stapelten. Bei den meisten Wagen handelte es sich um Unfallwagen. Meist war der Motorraum völlig zusammengestaucht oder der Kofferraum hatte sich in die Fahrgastzelle geschoben. Ich wollte mir nicht vorstellen, inwieweit Fahrer und Mitfahrer dieser Wagen in Mitleidenschaft gezogen worden waren, trotzdem flackerten unwillkürlich grausame Fantasiebilder vor meinem geistigen Auge.
Daher betrachtete ich lieber die Autos, die einfach nur altersschwach waren und ihre Lebensberechtigung verwirkt hatten.
Auf diesem Schrottplatz herrschte eine Stimmung wie auf einem Friedhof. Nur dass ein Friedhof, wie schon der Name sagte, friedlicher schien. Dort hatten die Toten die letzte Ruhe gefunden und ihre Seelen waren in eine bessere Welt übergegangen. Hier erinnerte vieles an ein Schlachtfeld. Die ausgeschlagenen Windschutzscheiben starrten mich an wie tote Augen, die Beulen und Dellen ließen die Wagen wie verkrüppelte und entstellte Körper erscheinen, und die ausgeschlachteten Autos, deren Einzelteile teilweise achtlos herumlagen, erinnerten an zerfetzte Körper und Gliedmaßen. Statt der Ruhe eines Friedhofs ächzten lose Kotflügel im Wind, irgendwo quietschte Metall auf Metall und im Hintergrund hörte ich das Dröhnen der Schrottpresse. Es klang, als würden die Geister der Wagen umherirren und nicht wissen, wohin sie sollten. Gab es eigentlich einen Auto-Himmel?
    Ganz ins Philosophieren über die Vergänglichkeit des Seins vertieft, entdeckte ich ein paar Schritte weiter westlich ein Auto, das völlig in Ordnung schien. Es war ein nagelneuer weißer Golf, weder verbeult noch zerkratzt. Gerade als ich mir den Kilometerstand auf dem sauberen und völlig intakten

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