Das sechste Opfer (German Edition)
sie ließ sich auf eine Verabredung für den Nachmittag ein.
Ich hatte also noch zwei Stunden Zeit. Ich prüfte kurz meinen Aufzug, bevor ich den Motor anließ und mich auf den Weg Richtung Süden machte.
Meine Frau staunte nicht schlecht, als ich plötzlich vor ihrem Büro stand.
»Was machst du denn hier?«, fragte sie mich, als sie von ihrem Computer aufsah.
»Ich wollte dich zum Essen ausführen.«
»Jetzt?«
»Ja, jetzt.«
Sie sah auf die Uhr, nicht gerade sehr begeistert darüber, ihre Arbeit unterbrechen zu müssen. Sie sagte ihrer Sekretärin im Vorzimmer Bescheid, dann gingen wir hinaus und in ein nahe gelegenes Restaurant. Auf dem Weg hakte sie sich bei mir unter und erzählte munter von dem Sanierungsplan, den sie gerade erstellte und der eine ganze Straße in einem Berliner Bezirk retten sollte. Ich nickte hin und wieder interessiert.
Beim Italiener bestellte ich eine Pizza, Nicole wählte ein Risotto. Dann fragte sie mich nach Franz.
»Nein, er war nicht in der Redaktion.«
»Hat er Recherchen außerhalb?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Willst du nicht mal zu ihm nach Hause fahren? Vielleicht ist was passiert?«
»Was soll ihm denn passiert sein?«
»Keine Ahnung. Er ist in der Badewanne ausgerutscht oder was weiß ich.«
Sie nippte von ihrem Glas Rotwein, ich trank Bier.
»Ja, mach ich. Aber ich glaube, Franz badet prinzipiell nicht.“
Sie lächelte mich an. »Du hast mich schon lange nicht mehr bei der Arbeit besucht.«
»Stimmt. Wurde Zeit, es mal wieder zu tun.« Ich nahm ihre Hand und danach einen Schluck von ihrem Rotwein, um zu prüfen, ob er gut war.
Dann erzählte ich ihr, dass ich mich langsam mit dem Gedanken anfreunden musste, wieder an meinen Artikel zu schreiben, denn die freien Tage wären inzwischen vorüber.
Warum fällt es so schwer, zur gewohnten Arbeit zurückzukehren, wenn man einige Zeit frei hatte? Eigentlich müsste man doch Kraft und Energie gesammelt haben, um mit frischem Mut ans Werk zu gehen, doch bei mir war es immer genau andersherum.
Nicole schüttelte den Kopf. »Dabei musst du ja nicht einmal früh aufstehen und ins Büro gehen. Du hast so ein tolles Leben.«
Ich nahm noch einen Schluck von meinem Bier. »Ja. Hab ich.« Ich grinste sie an.
»Ich möchte lieber nicht fragen, was du die ganze Zeit über machst«, sagte Nicole mit einem Blick, der verriet, dass sie es doch nur zu gern wissen wollte. Ich beschloss, ihr ein kleines Häppchen von der Wahrheit zu erzählen und erklärte, dass ich mit Franz an einem Buch schrieb, wofür wir recherchierten.
Nicole war überrascht. »Ein Buch? Was für eins?«
»Eine Art Krimi.«
Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Du machst es also doch?«
»Vielleicht.«
»Aha.« Danach schwieg sie. Anscheinend wollte sie nicht sofort wieder aufbrausen und mich für verrückt erklären. Mit einem bemühten Lächeln fügte sie hinzu: »Und was wird es? Ich meine, worum geht es?«
Ich erinnerte mich daran, dass ich Franz versprochen hatte, Nicole nichts Näheres zu erzählen und manövrierte mich mit ein paar Halbwahrheiten und Phrasen schnell wieder aus dem gefährlichen Gewässer.
Sie nickte dazu. »Das klingt ganz interessant.«
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das wirklich die Wahrheit war, oder ob sie mich mit diesem Spruch nur bei Laune halten wollte. Ich sah auf die Uhr.
»Musst du nicht wieder an die Arbeit?«
Sie zuckte erschrocken zusammen.
»Oh, ja, stimmt.«
Ich hatte noch genau eine halbe Stunde bis zu meiner Verabredung mit Monika Fiderer.
Als der Kellner mit der Rechnung kam, bezahlte ich sofort und brachte danach Nicole wieder zu ihrem Arbeitsplatz, versprach ihr, sofort zu Franz zu fahren und nach dem Rechten zu sehen. Dann stieg ich in mein Auto und fuhr nach Steglitz zur Adresse von Monika Fiderer.
Sie wohnte an der stark befahrenen Albertstraße direkt neben der S-Bahn. Türkische Musik schallte aus einem Gemüseladen unten im Haus, daneben befand sich eine Reinigung, die mit Super-Sonderangeboten lockte, auf der anderen Seite ein Teppichladen, der gerade zum wiederholten Male sein Geschäft auflöste und seine Teppiche zu angeblichen Schleuderpreisen verhökerte.
Kaum hatte ich geklingelt, ertönte der Summer an der altersschwachen und mit Graffiti beschmierten Tür. Im Treppenhaus umfing mich eine angenehme Kühle und Stille. Es roch allerdings etwas streng, als wäre der Hausflur ein Asyl für alle entlaufenen Katzen der Stadt. Die Stufen knarrten und eine Glühlampe funktionierte nicht, so dass ich mich
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