Das sechste Opfer (German Edition)
aus den Tiefen des Computers und brannte sie auf die CD. Dann gab sie mir die Scheibe. Der ganze Vorgang hatte nicht länger als zwei Minuten gedauert.
»Danke.«
»Finden Sie das Schwein.«
Beim Hinausgehen wechselten wir noch ein paar Worte über ihre Vorliebe für Wasserpfeifen und den Bauchtanz, wobei ich krampfhaft versuchte, mir nicht vorzustellen, wie sie in einem bauchfreien Kleidchen durch die Gegend tanzte, und dann verließ ich die Wohnung.
Ich musste zu Franz.
Zusammenhänge
Es war drei Uhr nachmittags. Ich versuchte, noch einmal Franz anzurufen, doch als er sich immer noch nicht meldete, fuhr ich auf schnellstem Wege zu ihm.
Er reagierte nicht auf mein Klingeln. Als eine Hausbewohnerin mit ein paar schweren Einkaufstüten die Haustür aufschließen wollte, nahm ich ihr eine Tüte ab und betrat mit ihr gemeinsam das Gebäude. Aber auch als ich an seiner Wohnungstür klopfte und danach hämmerte, geschah nichts. Er war offenbar nicht zu Hause. Aber wo trieb er sich herum?
Mir fiel ein, dass Franz, nachdem er sich dreimal ausgesperrt hatte und horrende Summen an den Schlüsseldienst zahlen musste, immer einen Zweitschlüssel im Keller aufbewahrte. Den Kellerschlüssel versteckte er in einer Grünpflanze im Haus und im Keller befand sich dann der Wohnungsschlüssel. Er hatte monatelang grummelnd davon erzählt, dass der Schlüsseldienst-Mitarbeiter einhundertfünfzig Euro von ihm haben wollte, obwohl er innerhalb von zwei Minuten sein Schloss geknackt hatte. »Das machen andere als Hobby«, hatte er geschimpft und sich nach dem dritten Mal geschworen, nie wieder Opfer dieser dubiosen Dienste zu werden.
Ich fand die klägliche Palme, der definitiv Sonnenlicht fehlte, auf der Hälfte der Treppe und wühlte in der trockenen Erde.
Mit dem schmutzigen Schlüssel in der Hand ging ich in den Keller und probierte ein paar von den Bretterverliesen, die sich Kellerraum nannten. An den Wänden saßen Spinnen, die aussahen, als würden sie sogar mich als Beute in Betracht ziehen, der Boden war uneben und so schwarz, dass ich den Verdacht hegte, dass man hier immer noch mit Kohle heizte. Die Lampen waren schmutzig und teilweise kaputt, so dass kaum Licht durch den dunklen Gang leuchtete.
Endlich passte der Schlüssel in einer Tür. Ich öffnete diese und versuchte, in dem Dämmerlicht das andere Versteck zu finden. Es war ganz einfach. Über dem Schlüsselloch steckte innen ein Nagel im Holz, an dem der Schlüssel hing. Ich nahm ihn, schloss die Tür wieder ab und verließ auf schnellstem Wege dieses dunkle Loch.
Wieder vor Franz' Wohnungstür klopfte ich vorsichtshalber noch einmal, bevor ich die Tür aufschloss und eintrat.
Es roch unerträglich darin.
Ich hielt den Jackenärmel vor meine Nase. Rechts war das Wohnzimmer, doch das war leer. Als ich in die Küche kam, wurde mir übel. Dort lag ein Körper im Schlafanzug auf dem Boden. Ein leeres Glas in der einen Hand, in der anderen ein Zigarettenstummel. Seine Haut schien unwirklich weiß, die Augen waren offen und leer.
Ich hatte das Gefühl, als wollte sich mein Darm hier und jetzt sofort entleeren, als würden meine Knie ihren Dienst versagen, doch ich zwang mich, näher zu treten. Es war zweifellos Franz, der in merkwürdig gekrümmter Haltung auf dem Boden seiner Küche lag. Leicht nach vorn gebeugt, als würde er sich den Bauch halten. Sein Gesicht wirkte schmerzverzerrt und seltsam eingesunken. Er war tot. Und ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie lange schon.
Ich muss eine Weile so gestanden und ihn fassungslos angestarrt haben, bis mir die Idee kam, die Polizei zu rufen. In meinem Kopf dröhnte und klirrte es, als würde ich direkt unter einer Autobahn liegen. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Doch als ich die Polizei am Telefon hatte, gab ich ihnen gefasst die Adresse durch und bereitete sie darauf vor, was sie hier vorfinden würden. Dann legte ich auf und kämpfte tapfer gegen das Bedürfnis an, jetzt aufs Klo zu rennen, und alles, was sich in meinem Verdauungstrakt befand, ans Tageslicht zu bringen. Zurück in der Küche öffnete ich das Fenster so weit es ging und sah auf meinen toten Freund. Es war mir klar, dass ich nichts verändern durfte, aber ich konnte kaum dem Impuls widerstehen, seine Augen zu schließen. Hinter den einst lebhaften Pupillen war nicht mehr er, dahinter saß der Tod.
Er wirkte so hilflos und verletzlich in seinem dunkelblauen Schlafanzug und der merkwürdigen Haltung, dass ich ihm am liebsten aufgeholfen und
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