Das sechste Opfer (German Edition)
bisher verschlossen geblieben war und der niemals aufgedeckt werden durfte? Und was, wenn Franz ein Teil dieses Zusammenhangs bildete, indem er starb, weil er zu fest daran geglaubt hatte?
Mir wurde wieder übel.
Wurde er getötet, weil er etwas herausgefunden hatte? Oder ging es nur um die Akten? War er zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, als jemand das große, unbekannte Geheimnis hüten und die Kopien einsammeln wollte? Was wäre gewesen, wenn ich heute zu Hause geblieben wäre? Würde ich jetzt tot auf dem Küchenboden liegen?
Ich schnappte nach Luft. Mein Herz raste, ich schwitzte und benetzte immer wieder meine staubtrockenen Lippen. Das war verrückt!
Aber der Gedanke, dass jemand einen Schlüssel für meine Wohnung besaß und darin herumstöberte, ließ mich unruhig werden. Hatte vielleicht jemand Wanzen angebracht?
Die ganze Sicherheit, die man normalerweise in den eigenen vier Wänden fühlt, war verschwunden. Ich fühlte mich, als würde ich nackt auf dem Präsentierteller liegen, unglaublich verletzlich und unsicher. Sobald es hell war, würde ich alles auseinandernehmen und untersuchen, beschloss ich. Ich würde die Schlösser auswechseln und eine Sicherheitsvorrichtung anbringen lassen.
Aufgeregt ging ich im Wohnzimmer auf und ab, bis ich mich wieder in meinem Arbeitszimmer an den Computer setzte. Ich öffnete meine Aufzeichnungen, die ich glücklicherweise nicht gelöscht hatte und las mir alles Wort für Wort noch einmal durch, um zu sehen, ob dort noch alles vorhanden war, oder ob sie sich auch an meinem Computer vergriffen hatten.
Doch es schien noch alles da zu sein. Als ich bei Monika Fiderer und ihrer Klientenliste ankam, erinnerte ich mich plötzlich wieder an ihr kleines Geschenk und sprang auf, um die CD, die sie mir gegeben hatte, aus meiner Jackentasche zu holen.
Ich legte sie in das Laufwerk meines Rechners ein und rief den Inhalt auf. Eine Liste von Namen erschien, samt persönlicher Daten und dem Grund, warum sie den Anwalt konsultierten. Über hundert Namen flackerten über meinen Bildschirm, die ich mir aufmerksam durchlas. Nichts.
Doch als ich endlich bei den letzten fünf Namen angelangt war, stockte mein Atem. Einen davon kannte ich.
Ich versuchte, ihn einzuordnen, und als es mir endlich gelang, schlug mein Herz noch eine Spur schneller. Das war der Zusammenhang, den wir seit Tagen versucht hatten zu finden!
Es war unglaublich, aber da lag er direkt vor mir und grinste mich an. Ich las den Namen noch einmal, um ganz sicher zu gehen, aber daran gab es nichts zu rütteln.
Fabian Wendel, der Apotheker, der bei einem Unglück in den Bergen ums Leben gekommen war, war ein Klient von Noah Degenhardt, der später von einem unbekannten Lastwagenfahrer getötet wurde.
Der geheimnisvolle Kugelschreiber
Ich schlief nicht eine Sekunde in dieser Nacht. In völliger Dunkelheit saß ich auf dem Sofa und spürte, wie die Paranoia immer tiefer in meine Gedärme kroch. Überall vermutete ich Augen, die mich anstarrten, bei jedem Windhauch, der am Fenster mit der Gardine spielte, glaubte ich, die Bewegung eines Eindringlings zu sehen. Als ich auf Toilette musste, um meine Blase zu entleeren, ließ ich das Licht ausgeschaltet, was mir Nicole am Morgen wahrscheinlich sehr übel nehmen würde, aber ich konnte nicht anders. Kennen Sie das Rauschen der Nacht bei völliger Abwesenheit anderer Geräusche, das in den Ohren dröhnt, so dass Sie glauben, ertaubt zu sein? Oder das Flimmern von hellen Punkten und Streifen in absoluter, pechschwarzer Dunkelheit, die im Augenwinkel wie Bewegungen scheinen? Es war die Hölle, in dieser Nacht allein auf dem Sofa zu sitzen und nicht zu wissen, ob ich mir das alles nur einredete, oder ob sowohl der Einbruch als auch der Zusammenhang zwischen Degenhardt und Wendel Realität waren. Aber ich konnte und wollte Nicole erst einmal nichts davon erzählen, zumal ich mir nicht sicher war, was das alles zu bedeuten hatte. Denn vielleicht war der Zusammenhang zwischen Anwalt und Klient nur zufällig und hatte überhaupt nichts mit allem anderen zu tun. Und ich hatte die Akten schlicht und ergreifend im Auto liegen lassen und konnte mich nur nicht daran erinnern.
Für einen kurzen Moment hatte ich daran gedacht, die Polizei zu informieren, aber was sollte ich ihr erzählen? Dass Akten gestohlen worden waren, die ich eigentlich gar nicht besitzen durfte? Und dass ich mögliche Spuren eines Einbruchs schon zerstört hatte? Und dass ein paar unbekannte Tote
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