Das sechste Opfer (German Edition)
vielleicht einen Einbruch hier, bevor er starb?«
Sie sah mich erstaunt an. «Soll das ein Witz sein? Das ist ein Hochsicherheitstrakt!»
»Dann vielleicht bei ihm zu Hause? Es wäre wirklich toll, wenn Sie wüssten, was in der Aktentasche war.«
Sie runzelte die Stirn.
»Ihre Fragen sind sehr merkwürdig. Was hat das denn eigentlich mit Ihrem Artikel zu tun?«
»Nicht viel, aber es gehört zusammen. Es ist wichtig, bitte.«
»Ich weiß wirklich nicht, was drin war.«
»Aber Sie wissen doch sicher, was er in seinem Büro hatte und was jetzt dort fehlen könnte.«
»Sein Büro ist schon ausgeräumt. Sein Nachfolger fängt nächste Woche an.«
»Ist es der Doktor Irgendwas?«
»Ja, Dr. Vogler. Ich freu mich schon drauf, für ihn zu arbeiten.«
In ihrer Stimme klang so viel Abscheu mit, dass der dazu passende Gesichtsausdruck fast nicht mehr nötig war. Ich musste unwillkürlich lächeln.
»Ist denn der Schlüssel zum Tresor wieder aufgetaucht, damit der Neue ihn benutzen kann?«
Sie verneinte. »Sie mussten ihn aufbrechen und einen neuen einbauen. Das war eine Schweinerei!»
Sie schüttelte sich angewidert bei der Erinnerung.
»Wo sind seine Sachen denn jetzt?«
»Sie sind aufgeteilt. Die, die nur die Bank betrafen, sind sicher aufbewahrt, seine persönlichen habe ich gerade heute in ein Päckchen gesteckt, um sie seiner Frau zu schicken.«
»Ich kann nicht vielleicht einen Blick darauf werfen?«
»Nein, das geht beim besten Willen nicht.« Sie lachte fast, so amüsierte sie meine Bitte. »Erstens ist das privat und zweitens ist das Päckchen schon in der Poststelle. Zu spät.«
Ich gab noch nicht ganz auf. »Dr. Vogler wird sich sicherlich freuen, dass er so eine zuverlässige Sekretärin bekommt, die verhindert, dass untersucht wird, ob Herr Werner wirklich an einem Unfall gestorben ist oder ob sein gieriger Nachfolger nicht vielleicht ein bisschen nachgeholfen hat.«
Sie starrte mich an, während ihre Kinnlade herunterklappte.
»Was?«, flüsterte sie.
Ich hob entschuldigend die Hände. »Ich hab nichts gesagt.«
»Sie glauben, Dr. Vogler hat nachgeholfen?« Ihre Stimme klang schockiert.
»Ich weiß es nicht, aber es wäre doch möglich. Meinen Sie nicht?«
»Ja, das könnte ich mir vorstellen, so geil wie der auf den Posten war.«
Sie hatte sich wieder gefangen und sah mich jetzt mit einem interessierten Blick an. »Sie denken, dass es in seinen persönlichen Sachen ein Hinweis darauf geben könnte? Ich habe sie mir angesehen, da war eigentlich nichts. Nur ein paar Bilder und Gekritzel und ein teurer Kugelschreiber. Mehr nicht.«
»Ich würde die Sachen gerne sehen.«
»Können Sie dafür sorgen, dass Dr. Vogler hier wieder verschwindet?«
»Wenn ich Recht habe, wird er nicht lange das Vergnügen haben, mit Ihnen arbeiten zu dürfen.«
Sie überlegte für den Hauch einer Sekunde, doch dann stand sie entschlossen auf und ging zur Tür. »Sie warten hier«, befahl sie mir, bevor sie im Gang verschwand.
Ungefähr zehn Minuten später kam sie mit einem dicken DIN A4 Briefumschlag in der Hand zurück, den sie vor meinen Augen öffnete und den Inhalt herausnahm. Es handelte sich tatsächlich nur um ein paar Familienfotos und ein paar von seiner Tochter gemalte Bilder. Im Umschlag befand sich nur noch etwas Dickes, wahrscheinlich der Kugelschreiber. Ich sortierte alles auf ihrem Schreibtisch und sah es mir genauer an. Doch ich konnte nichts Auffälliges erkennen. Nur auf die Rückseite einer Kinderzeichnung war eine Telefonnummer geschrieben. Ich notierte sie mir vorsichtshalber in meinem Notizbuch, bevor ich die Papiere wieder in den Umschlag steckte.
Dann nahm ich den Kugelschreiber, der sehr edel aussah. Als er in meiner Hand lag, stockte mein Atem. Da war es wieder, das Zeichen, das auch im Handschuhfach eingeritzt war. Es prangte ordentlich eingraviert auf dem edlen Stift. Ich wandte mich wieder an Beate Heitmann, die jeden meiner Handgriffe interessiert beobachtete.
»Woher hatte er den?«
»Der war im Safe, den hat er nie benutzt.«
»Im Safe? Wer bewahrt denn einen Kugelschreiber im Safe auf?«
»Keine Ahnung. Vielleicht ist er aus Gold oder so?«
Ich wog ihn in meiner Hand. Er war schwer. «Kennen Sie dieses Zeichen?«
Ich zeigte ihr die Gravur.
Sie schüttelte den Kopf. »Ist mir unbekannt.«
»Haben Sie das schon mal vorher bei ihrem Chef gesehen?«
»Nein. Noch nie.« Sie wirkte genauso erstaunt wie ich. »Was bedeutet das?«
»Ich weiß es nicht.«
Ich nahm den Kugelschreiber noch einmal zur Hand und
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