Das sechste Opfer (German Edition)
möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang standen, der mir jedoch bisher verschlossen blieb?
Das ging nicht, die würden mich auslachen. Ich konnte höchstens mit handfesten Beweisen zu ihnen kommen, wenn ich bei Tageslicht tatsächlich eine Wanze in meinem Telefon oder eine Kamera im Fernseher entdeckte. Dann würden sie mich ernst nehmen, aber vorher nicht. Dafür musste man nicht Jura studiert haben, um das zu wissen.
Ich hörte, wie Nicoles Schnarchen leise aus dem Schlafzimmer drang, und überlegte, wie ich sie am besten aus allem raushalten könnte. Die einfachste Variante war, ihr nichts von alldem zu erzählen. Wenn morgen das Schloss ausgetauscht war, würde sie sich vielleicht wundern, aber es bestand keine Gefahr mehr. Sie würde nie davon erfahren, dass jemand in unserer Wohnung war und seine Hände auf unser Eigentum gelegt hatte.
Sobald Nicole zur Arbeit gegangen war, begann ich damit, die Wohnung auseinanderzunehmen. Sie hatte mir nur ein kurzes »Guten Morgen« zugeworfen, als sie aus der Tür ging und ich etwas zu früh meinen Kopf aus den Kissen gehoben hatte. Ich erwiderte ihr dasselbe und sprang sofort auf, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war.
Ich schraubte den Fernseher auf, die Stereoanlage und den Computer. Als ich das Telefon in meinem Eifer irreparabel zerstörte, rannte ich in den Elektronikmarkt in der Nähe und kaufte ein ähnliches Modell. Ich ließ einen Schlüsseldienst kommen, den ich willkürlich aus dem Telefonbuch ausgesucht hatte, der das Schloss auswechselte und ein weiteres darüber anbrachte. Die Aktion kostete mich fast ein Vermögen und würde mir wahrscheinlich noch sehr viel Ärger mit der Hausverwaltung einbringen, aber es musste sein. Außerdem räumte ich jeden Schrank aus, untersuchte jeden Winkel der Wohnung, doch das Einzige, was fehlte, war mein Teller, den ich zum Studienabschluss von meinem Mitbewohner bekommen hatte, aber da hatte ich Nicole im Verdacht, ihn einfach entsorgt zu haben. Sonst fiel mir außer ein paar Staubflusen nichts auf. Da war nichts. Keine Wanze, keine Kamera, nichts Eigenartiges.
Erschöpft und völlig verschwitzt betrachtete ich gegen Mittag mein Werk. Die Wohnung sah aus, als wäre sie Opfer eines Hurrikans geworden und mein Aufzug erinnerte an den des einzigen Überlebenden des Sturms. Der Schweiß hatte mein T-Shirt durchtränkt, der Staub klebte in meinen Haaren und an meinem ganzen Körper und sammelte sich besonders in meinen Bartstoppeln. Auf meiner Hose glänzten die Flecke vom Olivenöl, das ich etwas zu heftig aus seinem Fach genommen hatte, als ich den Kühlschrank untersuchte. Darüber saßen ein paar Sonnenblumenkerne, die mir aus dem Küchenschrank entgegengeflogen kamen, weil ich die Tüte nach dem letzten Backen nicht ordentlich genug wieder verstaut hatte. In Brusthöhe piekste mich die winzige Scherbe eines Glases, das mir aus der Hand gerutscht war, ins Fleisch, doch ich konnte sie nicht erwischen, sie hatte sich schon zu tief in das Gewebe meines T-Shirts gebohrt.
Nachdem das neue Telefon endlich funktionierte und die Wohnung wieder in Ordnung war, rief ich bei der Gerichtsmedizin an, um mich danach zu erkundigen, was die Autopsie bei Franz ergeben hatte. Doch sie erklärten mir nur, dass es keine Autopsie gegeben hätte, da er eines natürlichen Todes gestorben wäre. Bei Herzversagen läge kein Grund vor, die Leiche auseinanderzunehmen. Er war irgendwann Samstagnacht gestorben, zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens, und die Totenflecken deuteten darauf hin, dass er tatsächlich dort in der Küche gestorben war, in der Position, in der ich ihn gefunden hatte.
Ich atmete auf. Franz war also wirklich an seinen Rauch- und Trinkgewohnheiten gestorben und nicht, weil er seine Nase zu tief in fremde Angelegenheiten gesteckt hatte. Dann erzählten sie mir noch kurz, dass die Leiche zur Beerdigung freigegeben worden war und seine Mutter sich darum kümmern würde.
Sofort danach rief ich seine Mutter an, doch ein fremder Mann meldete sich am Telefon.
»Dr. Koslick hier bei Geier.«
Seine Stimme war tief und klang schon ziemlich alt.
»Hallo, hier ist Peter Mustermann, ich würde gerne mit Frau Geier sprechen.«
»Herr Mustermann, aha! Sie waren Franz' Freund, richtig?«
»Ja, bin ich. War ich», korrigierte ich mich. »Was ist mit seiner Mutter?«
»Sie schläft. Ich habe ihr eine Beruhigungsspritze gegeben. Nachdem Sie mit ihr gestern die Wohnung ausgeräumt haben, hat sie einen Zusammenbruch erlitten. Ich würde sie ja
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