Das Sehnen der Nacht (German Edition)
als er beabsichtigt hatte. »Durch die Explosion eben habe ich dir ein bisschen Zeit verschafft. Und du brauchst den Vorsprung, damit du so weit wie möglich weg von Schottland kommst. Aber das nützt dir nur etwas, wenn niemand weiß, dass du und das Baby noch am Leben seid. Auch Conlans Familie nicht.«
Danika schüttelte den Kopf. »Aber es ist grausam, sie im Glauben zu lassen, dass wir tot sind.«
»Zwei von Reivers übelsten Killern verbrennen gerade in dem Feuer. Er hat sie geschickt, damit sie dich töten, Dani. Wenn er auch nur den leisesten Verdacht hat, dass du diese Sache heute Nacht überlebt hast, dann wird er sich an dir und an dem gesamten Rest der MacConns rächen. Und niemand wird ihn davon abhalten können, darauf kannst du dich verlassen.«
Sie schwieg, und die Stille nach seinen Worten breitete sich im Wagen aus, als er immer tiefer in die Nacht fuhr, immer weiter hinein in das Auf und Ab der Hügel und der wilden Ebenen der Highlands, wo er geboren war. »Für die Welt bist du heute Nacht gestorben, Dani. Du musst mir vertrauen. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Wohin soll ich gehen?«
»An einen Ort, wo er nicht nach dir suchen wird.«
Sie erwiderte nichts, sondern saß still auf dem Beifahrersitz. Als das Baby in ihren Armen sich regte und zu jammern anfing, beruhigte sie es leise. Während sie Meile um Meile schweigend durch die Nacht fuhren, musste Malcolm immer wieder zu ihr hinüberschauen. Sie war immer noch wunderschön mit ihren hellblonden Haaren und der Haut, die ihm weich wie Samt erschien.
Mit der Zeit hatte er vergessen, wie majestätisch und gleichzeitig feminin ihre skandinavischen Gesichtszüge waren. Wenn er sie jetzt anschaute, war es, als würde er wie durch eine Glasscheibe auf all die vergangenen Jahre blicken – Jahrhunderte waren es gewesen. Die Schönheit von Danika MacConn war immer noch genauso strahlend wie damals, trotz der leichten dunklen Schatten unter ihren Augen. Anscheinend hatte sie seit Conlans Tod keinen Schluck des stärkenden Stammesbluts mehr getrunken.
Er bedauerte zutiefst, dass sie mit Conlans Tod zurechtkommen musste. Ihren blutsverbundenen Gefährten zu verlieren war das Schlimmste, was Angehörigen des Stammes geschehen konnte. Con hatte Glück gehabt. Danika dagegen musste ohne ihn weiterleben.
Als er zusah, wie liebevoll sie mit ihrem kleinen Sohn umging, wurde ihm sein eigener tiefer Schmerz wieder bewusst – er selbst hatte erst vor Kurzem jemanden verloren. Ihr Tod hatte ihm fast den Verstand geraubt, aber jetzt hatte er wieder einen Grund, weiterzuleben. Geduld zu haben. Rache zu nehmen.
Das Letzte, was er dabei gebrauchen konnte, waren eine schutzlose Frau und ein Kleinkind. Und es machte die Sache nicht weniger schwierig, dass es ausgerechnet diese Frau war, zu diesem Zeitpunkt … und an diesem Ort.
Doch er würde mit den Konsequenzen seines Eingreifens heute Abend leben müssen. Malcolm bog mit der Limousine auf einen kurvigen Pfad ab, der kaum die Bezeichnung Straße verdiente. Sie polterten und ruckelten durch die dicht bewachsene Heide, einem alten Kuhzaun aus lose aufgeschichteten Feldsteinen folgend. Pechschwarz gegen den winterlichen Nachthimmel tauchte die Burg vor ihnen auf und füllte bald das gesamte Sichtfeld.
Danika lehnte sich nach vorn und blickte durch die Windschutzscheibe. »Ich weiß, wo wir sind«, flüsterte sie.
»Aye«, stimmte er ihr zu. »Ich schätze, es ist kein Wunder, dass du dich daran erinnerst.«
Eine ganze Weile erwiderte sie nichts, sondern starrte reglos nach vorn, während sie sich dem Gebäude näherten und Malcolm den Wagen davor langsam ausrollen ließ. »Das ist die Burg, wo Conlan mich gefragt hat, ob ich seine Gefährtin werden will.« Im schwachen Licht des Armaturenbretts schimmerten ihre Züge weiß wie Schnee, als sie sich endlich zu ihm wandte. »Malcolm … das hier ist dein Familiensitz.«
5
Der steinerne Wohnturm aus dem 15. Jahrhundert war im Innern weitgehend modernisiert worden. Die kalten grauen Steinwände hatte man weiß verputzt, und jemand hatte zeitgenössische Bilder und Schwarz-Weiß-Fotografien von den die Burg umgebenden Highlands aufgehängt. Die ursprünglichen Böden aus roh behauenen Dielen waren mit glänzendem Parkett bedeckt. Darauf lagen dicke Wollteppiche, die in den Räumen Wärme verbreiteten. Die Talgkerzen und Fackeln an den Wänden waren verschwunden, und die Zimmer waren nicht
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