Das Sehnen der Nacht (German Edition)
mehr verrußt und verraucht vom offenen Feuer. An ihrer Stelle hatte Mal wundervolle Lampen anbringen lassen, die die Schatten im Innern der Burg vertrieben.
Doch am meisten überraschte Danika das Kinderzimmer im zweiten Stock, in das er sie und Connor führte. So wie es aussah, waren die Modernisierungsarbeiten hier noch nicht ganz abgeschlossen. Eine Wiege aus Holz stand in der Mitte des gemütlichen Raums. Eine hohe Kommode stand links an der Wand, daneben ein Korb, über und über gefüllt mit einer ganzen Menagerie von Plüschtieren und Babyspielzeug. Alles wirkte neu und unberührt. An die gegenüberliegende Wand hatte jemand ein fröhliches Bild gemalt, das ebenfalls unvollendet war. Grinsende Löwen und Affen, Elefanten mit weit aufgerissenen Augen, und Giraffen bewegten sich in einer bunten, halbfertigen Landschaft zwischen Urwaldbäumen und hohen grünen Gräsern.
Und in einer dämmrigen Ecke stand verhüllt mit einem dünnen weißen Tuch verloren ein Schaukelstuhl. In dem freundlichen kleinen Raum wirkte er wie ein Gespenst.
»In der Truhe sind Decken und Kissen«, sagte Mal neben ihr. »Nimm dir einfach, was du brauchst.«
Sie wandte sich ihm zu und wollte sich bedanken, aber er war schon verschwunden.
Es dauerte einige Minuten, bis Connor eingeschlafen war, dann trat sie zurück ins Treppenhaus im Zentrum des Wohnturms und ging auf der spiralförmigen Treppe langsam nach unten. Im Erdgeschoss hörte sie Malcolm hantieren, er schritt mit seinen schweren Stiefeln über einen Steinboden, öffnete Schränke und schloss sie wieder. Warmes gelbes Licht schien aus einer Tür in den dunklen Gang.
Malcolm stand mit dem Rücken zu ihr an der Arbeitsfläche, als Danika die quadratisch geschnittene Küche betrat. Er nahm etwas aus einer Schüssel und steckte es in einen verschließbaren Plastikbeutel. In der Mitte des Raums stand ein Tisch mit vier Stühlen. Mal hatte sein schwarzes Jackett und das lederne Pistolenholster über eine Stuhllehne gehängt. Ohne sich umzudrehen, fragte er: »Hast du oben alles gefunden, was du brauchst?«
»Ja. Vielen Dank für alles.« Die weiß verputzten Wände waren gewölbt, die Schränke mit Granitplatten verkleidet. Ein Herd aus glänzendem Edelstahl vervollständigte die modern ausgestattete Küche. »Ich kann mich noch erinnern, dass die Küche nur ein Gewölbe war, mit einer offenen Feuerstelle, die jemand in den Stein gehauen hatte. Du und Con, ihr habt euch hier stundenlang über Philosophie gestritten und mit euren vielen Eroberungen angegeben. Wenn ich mich nicht täusche, waren deine Eroberungen meist beim schönen Geschlecht.«
Er knurrte. »Das ist Ewigkeiten her.«
»Wenn ich jetzt wieder hier bin, kommt es mir gar nicht so lange vor«, sagte sie und war selbst verwundert darüber. Der lange Zeitraum schien noch mehr zusammenzuschrumpfen, als Mal sich zu ihr umdrehte. Seine harten grauen Augen waren voller Sorge. Bei seinem Anblick – hier an diesem Ort, nachdem sie erst vor wenigen Stunden gemeinsam einer tödlichen Gefahr entkommen waren – zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Er kam mit dem gefüllten Plastikbeutel in der Hand auf sie zu. Der Schnee darin hatte angefangen zu schmelzen, und Wasser tropfte aus einer Ecke des Beutels.
»Es ist kein Eis im Haus, deshalb habe ich von draußen Schnee geholt, als du oben warst.« Er deutete auf den Tisch und die Stühle. »Setz dich, Dani. Ich möchte mir die Beule an deinem Kopf mal anschauen.«
Danika ging zum Tisch, und er folgte ihr. Sie drehte ihren Stuhl in seine Richtung, und er ging vor ihr in die Hocke. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie verletzt war. Erst, als er die provisorische Kompresse an ihre Augenbraue drückte, spürte sie neben der Kälte den Schmerz. Kurz verschlug es ihr den Atem, und sie zuckte zusammen. Reflexartig schoss ihre Hand hoch zu ihrer Stirn, wo Mal den Beutel hielt. Mit den Fingerspitzen berührte sie seine warme Haut und spürte seine kräftigen Knochen und Sehnen. Das Gefühl brannte ihr wie Feuer im Gehirn.
Ihre Finger verweilten lange auf seiner Hand, zu lange. Die Berührung bedeutete mehr, als sie beide wahrhaben wollten.
Sie waren sich zu nahe, in einer fast intimen Haltung – Mal in der Hocke vor ihr, ihre Beine weit gespreizt auf beiden Seiten seines großen Körpers, als er sich vorbeugte, um sie zu verarzten. Sein Gesicht war direkt vor ihr, und so sah sie sofort das erste Aufleuchten des bernsteinfarbenen Feuers im
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