Das sexuelle Leben der Catherine M.
badet in einem Licht wie in einer Bar. Dieses Licht zeichnet die Haut weich, und diese optische Wahrnehmung verstärkt noch die Berührung; dazu genügt ein leichtes Streicheln. Je mehr sich die Körper auflösen, desto transparenter macht das rote Licht die helle Haut und lässt die dunklen Stellen, die Haare oder das Kleidungsstück, das man anbehalten hat, verschwinden.
Im Lager ist es am schwierigsten, eine Stelle zu wählen. Der Raum ist gleichförmig, er ist durch Regale in parallele Gänge eingeteilt, in allen Gängen ist man einem eindringenden Blick gleichermaßen ausgesetzt, die Zwischenräume zwischen den Papierstapeln lassen die Blicke durch. In diesen Lagern kann man jede beliebige Stelle wählen wie in einem leeren Raum, nachdem man sich erst ein wenig um die eigenen Achse gedreht hat. An solchen Orten scheint mir die Fellatio am geeignetsten, weil man sie am schnellsten unterbrechen kann. Das liegt sicherlich an der Eintönigkeit dieses Orts. Im Wald, auf einem verlassenen Weg oder auf einem umzäunten öffentlichen Gelände hat man immer guten Grund, in die Büsche zu gehen oder in einen engen Hauseingang, sei es, weil es mehr Bequemlichkeit oder Sicherheit bietet, sei es, weil es einen ästhetischen oder verspielten Reiz hat. Dort aber ist nichts. Also hält man sich notgedrungen nur kurz an einer Stelle auf, denn man kann sich genauso gut auch ein paar Meter weiterbewegen und so von Platz zu Platz wandern. Hinzu kommt, dass es fast eine Erniedrigung ist, an so einem tristen Ort ertappt zu werden.
Ich mag die Atmosphäre in verlassenen Büros, dort herrscht eine Ruhe, die nicht vom Ende einer Tätigkeit herrührt, sondern von ihrer Aussetzung. Die Hektik des Arbeitsalltags ist vorüber, aber sie droht immer noch in Form eines hartnäckigen Klingelns des Telefons, eines laufenden Bildschirms, einer aufgeschlagenen Akte. Die Geräte, das Material, der ganze Raum steht mir allein zur Verfügung und dies vermittelt mir das illusorische, aber besänftigende Gefühl, grenzenlose Arbeitskraft zu besitzen. Wie ich schon sagte: Wenn die anderen den Platz verlassen, machen sie der Zeit Platz, und dann gehört mir die Ewigkeit, ich kann alle Geräte bedienen, kann alle Probleme analysieren und lösen, und dass ich in jedes Büro eintreten kann, ohne vorher zu klopfen oder mich zu entschuldigen, lässt mein Leben weniger abgehackt erscheinen. Wenn sich in solchen Situationen ein Mitarbeiter, der auch ein Sexpartner war, zu meiner Einsamkeit gesellte, bewegte ich mich nur in Ausnahmefällen auf dem halbwegs bequemen Teppichboden. Eher stützte ich mich auf Arbeitstische. Man könnte denken, dass diese Stellung – die Frau an der Tischkante, der Mann steht zwischen ihren gespreizten Beinen – am leichtesten zu verändern ist, sollte plötzlich ein Kollege hereinplatzen, aber das ist nicht der Fall. In Wahrheit gehen die Bewegungen ineinander über. Vincent war Layouter; wir machten im Stehen Umbruch, weil er immer in Eile war und weil man vielleicht durch die zusätzlichen dreißig Zentimeter Distanz einen besseren Überblick hat. Bei der kleinsten Unregelmäßigkeit im Arbeitsablauf drehte ich mich um. Ich zog mich ein wenig hoch, den Hintern neben den Vorlagen, meine Möse auf guter Höhe. Die Höhe ist wichtig. In der Regel kommt der günstige Moment, um vom Arbeitsgespräch in eine stumme Umarmung zu gleiten, zusammen mit dem Nachlassen der Konzentration, zum Beispiel, wenn ich Papiere in einer unteren Schublade suchen muss. Ich beuge mich vor und zeige meinen Arsch, der nur fordert, von zwei festen Händen genommen zu werden. Dann sucht er die Stütze einer Schreibtischkante. Ich bin immer etwas vorsichtig, wenn ich alles beiseite räumen soll, damit ich mich auf den Rücken legen kann. Aber die meisten Arbeitsflächen sind nicht auf guter Höhe, viele sind zu niedrig, und auf manchen Schreibtischen habe ich mich noch nie ausgestreckt. Ein Grafiker, den ich in seiner Agentur traf, hatte dieses Problem geschickt gelöst, indem er Stühle mit Verstellungsmöglichkeit anschaffte, die man bis auf den Zentimeter genau einstellen konnte. Ich setzte mich vor ihn, mein Geschlecht genau vor seinem. Hinter ihm war ein Tisch, auf den ich meine Füße legen konnte. In dieser Stellung konnten wir lange bleiben, ohne dass er oder ich müde wurde, ich fühlte mich wie auf einer Liege. Er hatte eine ganz schmale Taille, als hätte er Hoolahoop getanzt. Zwischendurch ersetzte er seine Körperbewegung, indem er den Sitz
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