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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Röder, an dem er gehangen hat, war sein Schul- und Fußballfreund. Zu einem von seinen eigenen Brüdern? – Unsichere Burschen und überdies bestimmt bewacht.
     
    Die Marnets verkauften gewöhnlich unregelmäßig auf einem Straßenmarkt in Höchst. Nur im Frühjahr, wenn es sonst Treibhauszeug gab, brachten sie ihre ersten Gemüse und im Herbst ihre besseren Apfelsorten in die große Markthalle nach Frankfurt. Sie waren gut genug gestellt, um nicht jedes Krümelchen an den Mann bringen zu müssen. Bei ihnen hieß es, zuerst die eigene Familie eindecken. Wenn es in einem Jahr an Bargeld fehlte, konnte eines der Kinder in der Fabrik dazuverdienen.
     
    Die starke Auguste half Franz beim Ausladen. Frau Marnet pflanzte ihre Waren zurecht. Ein Messerchen in der einen Hand, einen angeschnittenen Apfel als Kostprobe in der anderen, wartete sie sofort auf den angekündigten Hauptkäufer.
     
    Falls Elli wirklich kommt, dachte Franz, muß sie jetzt kommen. Er hatte schon längst, bald da, bald dort, eine Schulter, einen Hut, ein Teilchen von etwas entdeckt, das Elli hätte werden können, wenn es sich nur entschlossen hätte auf ihn zuzukommen. Da entdeckte er ihr Gesicht, klein und blaß vor Müdigkeit, oder glaubte es zu entdecken. Es verschwand sofort hinter einer Pyramide von Körben. Er fürchtete, sich getäuscht zu haben, dann kam es ruckweise näher, als ob ihm jemand seinen Herzenswunsch mit einigem Zögern erfüllte.
     
    Sie begrüßte ihn nur mit den Augenbrauen. Er wunderte sich, wie gut sie seine rasche Belehrung begriffen hatte, mit welcher Geschicklichkeit sie ihren Apfelkauf vortäuschte. Als wisse sie nicht, daß Franz zu den Marnets gehörte, drehte sie ihm hartnäckig den Rücken. Sie kostete langsam einen Apfelschnitz. Sie handelte den Posten Äpfel herunter, der der Frau Marnet bei der erwarteten Vorbestellung noch übrigblieb. Wie alle guten Täuschungen gelang dieses vorgetäuschte Geschäft, weil Elli doch auch in Wirklichkeit mit dem Herzen etwas dabei war. Die Kostprobe hatte ihr wirklich geschmeckt, sie wollte selbst nicht bei diesem Kauf übervorteilt werden. Sie hätte sich nicht glatter verstellen können, auch wenn sie geahnt hätte, wie lückenlos die Überwachung war.
     
    An Stelle des schnurrbärtigen jungen Mannes, den Elli vielleicht schon bemerkt hätte, war eine dicke Frauensperson getreten, vom Aussehen einer Pflegerin oder Handarbeitslehrerin. Der Schnurrbärtige war deshalb noch nicht aus dem Dienst gezogen, er gehörte noch immer zur Überwachungsgruppe. Er war in der Konditorei postiert. Zwar hatte sich Elli unterwegs umgesehen, ob sie wirklich bewacht sei, wir ihr Vater, wie Franz das annahmen. Sie glaubte, daß ihr Verfolger hinter ihr herkommen und ein Mann sein müsse. Doch hatte sie niemand bemerkt als eben die kugeldicke, brave Person, und die bald auch nicht mehr, weil nämlich die Dicke an einer vereinbarten Stelle einem entgegenkommenden Agenten Elli zur Ablösung übergeben hatte. Doch alles ging glatt, noch gab niemand auf Franz acht. Denn Elli führte ohne Unruhe ein Geschäft durch, das kein anderes verbergen konnte. Mit Franz sprach sie überhaupt nicht. Die einzigen Worte, die Franz sprach, waren an Frau Marnet gerichtet: »Man kann ja die Körbe bei den Behrends unterstellen, ich bring sie nach der Schicht rauf, ich muß doch noch mal her.« Auguste dachte sich zwar bei dieser Bereitwilligung ihr Teil, daß aber die Käuferin selbst das Mädchen war, das Franz zweimal an einem Tag in die Stadt zog, das kam ihr nicht in den Sinn. Ihre Meinung über Elli war freilich schon klar: dünn wie’n Spargel, Hut wie ‘n Pilzchen, ‘n Spargel mit ‘m Lockenköpfchen. Wenn die werktags um sechs mit so ‘ner Bluse rumläuft, was hat die denn sonntags für ‘ne Bluse an. – Als Elli wegging, sagte sie zu Franz: »Viel Stoff braucht die nicht zum Rock, den Vorteil hat sie.« Franz verkniff seine Gefühle und erwiderte: »Es kann nicht jeder den Hintern von der Sophie Mangold haben.«
     
     
     
    Georg hatte am Schauspielhaus die Dreiundzwanzig abgewartet. Nur heraus aus der Stadt. Es war ihm eng um den Hals. Bellonis Mantel, in dem er sich gestern noch sicher gefühlt hatte, brannte ihm heute morgen. Ausziehen? Unter die Bank stecken? – Es gibt da ein Dorf, zwei Stunden hinter Eschersheim, wir fuhren damals zur Endstation, die Eschersheimer Landstraße hinauf. Wie hieß bloß das Dorf. Da wohnten die alten Leute, bei denen ich damals im Krieg auf Schulferien war und

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