Das siebte Tor
Blechmann, dann muß ich – Dorothy sein!« Er kicherte verschämt, knickste
und streckte artig die Hand aus. »Ich heiße Dorothy. Ein Kleinstadtmädchen aus
einer kleinen Stadt westlich von Topeka. Gefallen euch meine Schuhe?«
»Wenn Ihr entschuldigen wollt, Sir«, unterbrach
ihn der Herr in Schwarz. »Ihr seid nicht…«
»Und dies«, rief der alte Mann triumphierend und
legte dem Herrn in Schwarz freundschaftlich den Arm um die Schultern, »ist
mein kleiner Hund Toto!«
Der Herr in Schwarz verzog gequält das Gesicht.
»Ich fürchte, das bin ich nicht, Sir.« Taktvoll befreite er sich aus der
Umarmung des alten Mannes. »Ich bitte um Vergebung«, fügte er an Marit, Hugh
und Alfred gewandt hinzu. »Das ist alles meine Schuld, ich hätte auf ihn
aufpassen sollen.«
»Ich weiß! Du bist Zifnab!« rief Alfred.
»Gesundheit«, erwiderte der alte Mann höflich.
»Taschentuch gefällig?«
»Er meint Euch, Sir«, erklärte der Herr in
Schwarz geduldig.
»Ach ja?« Der Alte war baß erstaunt.
»In der Tat, Sir. Ihr seid heute Zifnab.«
»Nicht Dorothy?«
»Nein, Sir. Und wenn ich das sagen darf, diese
Rolle hat mir nie sonderlich gefallen.« Der Herr in Schwarz sprach mit einigem
Nachdruck.
»Er meint nicht etwa Mr. Bond?«
»Ich fürchte nein, Sir. Nicht heute. Ihr seid
Zifnab. Ein berühmter und mächtiger Zauberer.«
»Aber natürlich bin ich das! Achtet nicht auf
den Burschen hinter dem Duschvorhang. Er hat gerade einen bösen Traum gehabt.
Man muß schon ein großer und mächtiger Zauberer sein, um den Weg ins Labyrinth
zu finden, stimmt’s? Und ich… Ah, wunderbar, alter Knabe. Ich freue mich auch,
dich zu sehen.«
Alfred schüttelte Zifnab ernsthaft die Hand.
»Ich bin glücklich, Eure Bekanntschaft zu machen. Haplo hat mir von der
Begegnung mit Euch erzählt. Auf Pryan, nicht wahr?«
»Ja, das war’s! Ich erinnere mich!« Zifnabs
Gesicht strahlte, dann verdüsterte sich seine Miene, und er schüttelte betrübt
den Kopf. »Haplo. Ja, ja, ich erinnere mich.« Er seufzte. »Es tut mir so leid…«
»Ich glaube, Ihr habt genug gesagt, Sir«,
unterbrach ihn der Herr in Schwarz streng.
»Was meint er?« forschte Marit. »Was ist mit
Haplo?«
»Er hat nichts gemeint«, sagte der Herr in
Schwarz. »Nichts von Belang, habe ich recht, Sir?«
»Natürlich, natürlich. Nichts von Belang.«
Zifnab kraulte nervös seinen Bart.
»Wir haben gehört, daß ihr eine Möglichkeit
sucht, zum Letzten Tor zu gelangen«, fuhr der Herr in Schwarz fort. »Ich
glaube, daß ich und die Meinen dabei behilflich sein können. Wir sind selbst
auch unterwegs dorthin.«
Er schaute zum Himmel, und Marit folgte
argwöhnisch seinem Blick. Ein Schatten glitt über sie hinweg. Noch einer und
noch einer. Benommen und verwirrt starrte sie in die Höhe, auf Hunderte von
Drachen, blaugrün schillernd, als wären ihre Schuppen geschliffene Edelsteine.
Und wie aus dem Nichts erschienen, ragte auch
vor ihr ein riesiger Drache auf. Der Herr in Schwarz war verschwunden.
Marit zitterte vor Angst, aber nicht vor Angst
um ihr Leben. Sie hatte Angst, weil plötzlich ihr Universum nicht mehr
festgefügt zu sein schien; ein Riß hatte sich aufgetan, durch den sie ein
strahlendes Licht sah, bedroht von heraufziehender Dunkelheit. Sie sah den
grauen Himmel des Labyrinths, den Nexus in Flammen, ihr Volk – kleine,
zerbrechliche Geschöpfe, gefangen zwischen der Finsternis und dem Licht, die
einen letzten heroischen Kampf kämpften.
Von maßloser Verzweiflung übermannt, drang sie
mit dem Schwert auf den Drachen ein, ohne zu wissen, was sie tat.
»Warte.« Alfred hielt ihren Arm fest. »Keine
Gewalt.« Er sah zu dem Drachen auf. »Diese Geschöpfe sind hier, um uns zu
helfen, Marit. Um deinem Volk beizustehen. Sie sind die Feinde der Schlangen.
Ist es nicht so?«
»Die Welle strebt nach Ausgleich«, erklärte der
Drache von Pryan. »So ist es von Anbeginn an gewesen. Wir können euch zum
Letzten Tor bringen wie die anderen auch.«
Patryn ritten auf den Rücken der Drachen, Männer
und Frauen, alle bewaffnet. Marit erkannte Obmann Vasu an der Spitze – und sie
begriff. Ihr Volk verließ die Sicherheit der Stadtmauern und zog aus, um in der
Schlacht am Letzten Tor gegen den Feind zu kämpfen.
Hugh Mordhand saß bereits auf dem breiten Rücken
des Drachen und half Alfred – mit einiger Mühe –, hinter ihm aufzusteigen.
Marit zögerte, sie wollte lieber auf ihre
eigenen magischen
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