Das siebte Tor
Lazare, ob nun entmutigt durch den Verlust ihres Anführers oder auf den
Befehl der Zauberwaffe, zogen sich zurück und verschwanden.
Baltasar, kaum noch fähig, sich aufrecht zu
halten, schaute Ramu an und lächelte bitter. »Immer noch erpicht darauf, die
Kunst der Nekromantie zu erlernen?«
Ramu senkte den Blick auf die grausigen
Überreste der Kreatur, die einst der Dynast von Abarrach gewesen war, und gab
keine Antwort.
Baltasar zuckte die Schultern. Er kniete neben
Marit nieder, um zu sehen, was er für sie tun konnte.
Auch Alfred wollte zu Marit, aber Ramu trat ihm
in den Weg, und ehe er sich besann, hatte ihm der Archont den Dolch aus der
Hand gewunden. Er musterte die Waffe, erst neugierig, dann malte sich Begreifen
auf seinen Zügen.
»Ja«, sagte er leise, »ich erinnere mich an
Waffen wie diese.«
»Schändliche Waffen«, bemerkte Alfred.
»Geschaffen, um den Nichtigen zu helfen, für uns zu töten. Und selbst getötet
zu werden. Für uns- ihre Beschützer, ihre Verteidiger. Ihre Götter.«
Ramu stieg die Zornesröte ins Gesicht, doch er
konnte die Wahrheit der Worte nicht leugnen, und die Waffe bebte wie etwas
Lebendiges in seiner Hand. Der Archont verzog das Gesicht, offenbar ekelte es
ihn, sie zu berühren, er wollte sie aber auch nicht hergeben.
»Ich nehme sie«, bot Alfred ihm an.
Ramu steckte den Dolch in seinen Gürtel.
»Nein, Bruder. Wie Baltasar schon sagte, wir
tragen die Verantwortung. Du kannst ihn mir lassen. Unbesorgt«, fügte er
betont hinzu und sah Alfred an.
»Soll er ihn haben«, meinte Hugh Mordhand. »Ich
bin froh, das verdammte Ding los zu sein.«
Alfred hörte nicht auf ihn, sondern hielt Ramus
Blick fest. »Du hast gesehen, welche furchtbaren Gewalten unsere Macht zu
entfesseln vermag. Du hast das Verderben gesehen, das wir über uns und andere
gebracht haben. Es darf nicht so weitergehen…«
Verächtlich stieß Ramu die Luft durch die Nase.
»Was hier geschehen ist, daran hat die Patryn schuld. Sie und ihresgleichen
werden immer wieder Unheil stiften, bis man ihnen Einhalt gebietet. Wir segeln
ins Labyrinth, wie geplant. Halte dich für die Abreise bereit.«
Er entfernte sich.
Alfred seufzte ergeben. Nun, wenn sie das
Labyrinth erreichten, konnte er wenigstens…
Oder würde…
Sofern es möglich war…
Verwirrt, bedrückt, wollte er endlich zu Marit
gehen.
Zu seiner Überraschung wurde er diesmal von dem
Hund daran gehindert.
Alfred versuchte, einen Bogen zu schlagen, aber
der Vierbeiner vereitelte seinen Plan, indem er nach links sprang, wenn Alfred
rechts vorbei wollte, und nach rechts, wenn Alfred links sein Glück versuchte.
Schließlich, als seine Füße nicht mehr wußten, wohin, blieb Alfred stehen und
schaute den Hund ratlos an.
»Was soll das? Warum läßt du mich nicht zu
Marit?«
Der Hund bellte laut.
Alfred versuchte ihn wegzuscheuchen, aber damit
verscherzte er sich die letzten Sympathien. Der Hund fletschte die Zähne und
knurrte.
Perplex stolperte Alfred ein paar Schritte
zurück, und sofort setzte der Hund eine freundlichere Miene auf und kam
hinterher.
»Aber… Marit! Sie braucht mich.« Alfred machte
erneut einen unbeholfenen Versuch, den Hund zu umgehen.
Als wäre der Sartan ein verirrtes Schaf, schoß
der Hund auf ihn zu, schnappte nach seinen Knöcheln und drängte ihn immer
weiter zurück.
Baltasar hob den Kopf und richtete den Blick der
zwingenden schwarzen Augen auf Alfred.
»Ich werde gut für sie sorgen, Bruder, keine
Sorge. Geh und tu, was du tun mußt. Was die Bewohner des Labyrinths betrifft,
so habe ich deine Worte nicht vergessen. Ich werde mir mein eigenes Urteil
bilden und an die harten Lektionen denken, die ich gelernt habe. Leb wohl,
Alfred.« Baltasar lächelte. »Oder wie immer du heißen magst.«
»Aber ich habe gar nicht vor, wegzu…«
protestierte Alfred.
Mitten im Wort sprang ihm der Hund gegen die
Brust und stieß ihn über die Reling in das brodelnde Feuermeer.
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Kapitel 22
Feuersee,
Abarrach
Gewaltige Kiefer schlossen sich über dem Kragen
von Alfreds zerschlissenem Samtrock. Ein gigantischer Drache mit Schuppen so
glutrot wie der Lavaozean, aus dem er emportauchte, bewahrte den Sartan vor
einem Sturz ins Verderben und setzte ihn sich behutsam auf den Rücken. Der Hund
schlug die Zähne in seinen Hosenboden und verhinderte, daß er wieder
abrutschte.
Alfred brauchte einige Zeit, um den Schreck zu
überwinden, um zu begreifen, daß er nicht in
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