Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
weitersprach: »Als unsere Priester die Kräfte der Kristalle anriefen, ergossen sich die Plagen des Hereth überuns. Die Flüsse versiegten. Die Erde trocknete aus. Der Himmel spendete kein Wasser mehr. Die Pflanzen verdorrten. Das wenige Wasser verwandelte sich zu Gift. Die Tiere starben, und unsere Kinder wurden tot geboren. Mäuse und Ungo-Ratten fraßen unsere Kornspeicher leer, und die Menschen verfielen dem Wahnsinn. Wir konnten das Übel nur aufhalten, indem wir die Kristalle vernichteten. Unter den Schlägen unserer Hämmer zersplitterten sie in tausend Stücke. Als dies geschah, stiegen dunkle Schattenwolken in die Luft und verloren sich im Wüstenwind.« Er hielt inne und funkelte Tenan böse an. »Seitdem haben sich die Überlebenden der Völker des Südens geschworen, jeden zu töten, der einen solchen Kristall besitzt. Ihr seid Untertanen des Hochkönigs und mit einem der heimtückischen Kristalle unterwegs. Ihr steht mit unserem Feind im Bunde. Gepriesen sei Kal, dass ihr gefunden wurdet, bevor ihr Böses damit tun konntet. Tod und Verderben über euch!«
Erskryn grinste. »Keine guten Aussichten für Euch, wenn auch Ihr später nach Shon gebracht werdet, fürchte ich. Aber da Ihr momentan noch unter meinem Schutz steht, habt Ihr nichts zu befürchten. Thut Thul Kanen wird sich Eurer später annehmen.« Er drehte den Silberbeutel selbstvergessen in den Händen. »Ich bin froh, dass mir das Schicksal einen Kristall wie diesen hier in die Hände gespielt hat. Mir ist nur noch nicht klar, wie er genau funktioniert. Aber das werde ich bald herausbekommen. Vielleicht kannst du mir dabei helfen, mein junger Freund?«
»Ich weiß nichts über die Kräfte des Kristalls«, antwortete Tenan. Sollte er die Wahrheit sagen? Erzählen, wie er ihn gefunden hatte und dass er in Wirklichkeit eine Geißel des Todesfürsten Achest war? Er bezweifelte, dass Erskryn oder Thut Thul Kanen ihm glauben und ihn ziehen lassen würden, umseinen Auftrag zu beenden. Nicht nur die Südländer, auch die Piraten standen in bitterer Feindschaft zu Hochkönig Andorin. Nein, Erskryn würde den Stein nur für seine finsteren Belange einsetzen wollen.
»Der Stein ist ein Erbstück meines Vaters«, sagte Tenan und versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. »Er vermachte ihn mir, als er starb. Es ist ein Kristall, der seit Generationen innerhalb des Clans weitergegeben wird. Ein alter Brauch meiner Familie. Von dunklen Kräften weiß ich nichts. Er ist nur gefährlich, wenn ein Fremder sich seiner habhaft macht. Der Stein wehrt sich, indem er demjenigen Albträume beschert.«
»Albträume?!«, rief Tres. »Das Ding hat mich fast in den Wahnsinn getrieben!«
»Manchem, der geistig schwach ist, setzen seine Kräfte stärker zu«, antwortete Tenan nachsichtig.
»Ich werde dich pfählen ... !«, schrie Tres.
Doch der Piratenhauptmann schnitt ihm das Wort mit einer herrischen Geste ab.
»Wenn Ihr ein Mann von Ehre seid, Erskryn, gebt ihn mir wieder«, sagte Tenan ruhig.
Der Kopf des Roten schnellte hoch, seine stahlblauen Augen bohrten sich in die Tenans. »Zweifle nie an meiner Ehrenhaftigkeit«, fauchte er. »Es haben schon Männer aus weit geringeren Gründen ihr Leben gelassen.« Er zwang sich zur Ruhe und schaute Tenan in gespieltem Mitgefühl an. »Du wirst das Erbstück deines Vaters nicht mehr brauchen, fürchte ich, denn du hast als ein Sklave weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft. Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Deshalb ist es eine Sache der Ehre, wenn ich diesen angeblich so wertlosen Kristall behalte und ihn nicht in den Händen eines Rechtlosenzurücklasse.« Er verstaute den Silberbeutel in einer Tasche an seinem Gürtel.
Die umstehenden Piraten lachten. Nur Thut Thul Kanen verzog keine Miene.
»Überleg es dir gut, mein Junge. Entweder du weihst mich in die Geheimnisse des Kristalls ein, oder du wirst unter Thut Thul Kanens Augen einen grausamen Tod erleiden.« Wieder zeigte Erskryn sein wolfsähnliches Grinsen.
»Wie es sich geziemt für jemanden, der einen der dämonischen Kristalle besitzt«, ergänzte Thut Thul Kanen. »Oder mit dem Hochkönig gemeinsame Sache macht.«
»Vielleicht überlegt sich jeder Einzelne von Euch noch einmal, ob er nicht doch etwas mehr über den Kristall erzählen kann. Ich werde Euch noch eine kleine Bedenkzeit gewähren.« Erskryn wandte sich um und winkte den umstehenden Wachen. »Die Gefangenen sollen unser Fest ein wenig genießen können. Wir wollen ihnen
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