Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
erwartet stand der Schüler vor dem Spiegel,die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, die Hände unter den weiten Ärmeln verborgen.
»Es ist mir eine Ehre, Euch zu sehen, Admiral Dur«, sagte er und verbeugte sich leicht.
Wieder hatte Drynn Dur den Eindruck, dass seine Stimme noch jung klang. »Seit unserem letzten Treffen ist einige Zeit vergangen«, begrüßte er den Schüler. »Achest Todesfürst ließ mich wissen, dass Ihr eine wichtige Botschaft für mich habt.« Er hasste es, Höflichkeiten auszutauschen, und wollte gleich zur Sache kommen.
»In der Tat, Admiral Drynn Dur«, antwortete der andere. »Meine Position im Dienst des Hochkönigs ist zwar vergleichsweise gering, aber ich konnte etwas herausfinden, das den Krieg einmal entscheiden wird. Ja, ich wage sogar zu behaupten, meine Entdeckung ist wichtiger als die Wiedererlangung des Meledos-Kristalls. Wenn meine Information stimmt, dann brauchen wir womöglich keine große Armee, um den Hochkönig in die Knie zu zwingen. Wir werden einen gezielten Schlag ausführen, und Andorins Reich wird in Trümmern liegen.«
»Erzählt, was Ihr herausgefunden habt.«
Drynn Dur verschränkte die Arme hinter dem Rücken, während er dem Bericht des Schülers mit zunehmender Erregung lauschte. Anfangs hielt er die Nachricht für dermaßen ungeheuerlich, dass er ihren Wahrheitsgehalt bezweifelte. Doch dann realisierte er allmählich die Tragweite der Entdeckung. Der Schüler hatte recht: Achest würde nicht mehr nach dem Meledos suchen müssen. Und wenn kein großer Krieg erforderlich war, um Andorin zu besiegen, bedeutete das, dass keine Armee neuer Krieger aus dem Schattenreich nötig war!
»Ihr müsst unbedingt ein Schiff aussenden, um die Wahrheitdessen, was ich Euch berichtet habe, zu bestätigen«, beendete der Schüler seinen Bericht.
»Glücklicherweise ist mein Schiff seit gestern wieder fahrbereit. Ich werde noch heute mit der Acheron in See stechen und die Sache selbst in die Hand nehmen«, antwortete Drynn Dur. »Die Hiron und die Dethor führen derweil die Suche nach dem Meledos fort. Eines der Schiffe müsste bald in den Gewässern vor der Küste Meledins eintreffen. Vielleicht werden wir vor der Hauptstadt eine Seeblockade errichten müssen – vielleicht erübrigt sich das aber auch, wenn es stimmt, was Ihr mir eben berichtet habt. Ich werde mein Bestes tun, um die Angelegenheit schnell zu klären.«
»Achest erwartet nichts anderes von Euch, Admiral. Doch da ist noch etwas.« Der Schüler machte eine bedeutungsvolle Pause.
Drynn Dur sah ihn irritiert an. Anscheinend bereitete es dem anderen Freude, ihn auf die Folter zu spannen.
»Die Dinge sind zu schnell außer Kontrolle geraten, wie es scheint. Achest wünscht nicht, dass es so rasch und offensichtlich zum Krieg mit Algarad kommt. Schon die Art und Weise, wie die Invasion der Insel Gondun ablief, war ein Fehler. Und die Seeblockade Meledins, die Ihr nun plant, würde den Hochkönig zu früh in Alarmbereitschaft versetzen. Achest möchte, dass Ihr bei Eurem nächsten Auftrag etwas behutsamer vorgeht als bei der Besetzung der Insel.«
Drynn Dur traute seinen Ohren nicht. »Wollt Ihr mir Ratschläge geben, wie ich meine Pflicht zu erfüllen habe?«
»Durchaus nicht«, antwortete die graue Kapuzengestalt. »Ich leite nur Achests Wünsche weiter. Er erwartet Euren baldigen Bericht über die neuesten Vorkommnisse – oder sollte ich sagen, über Eure raschen Erfolge?«
7
Die Gefährten wanderten endlos und legten sich erst dann zur Ruhe, wenn sie und ihre Reittiere vor Erschöpfung fast umfielen. Als sie einmal eine längere Rast machten, um zu schlafen, hatte Tenan nochmals eine Begegnung mit den Grauen.
»Tu-dura ... tu-dura ...«, hallten ihre Stimmen in seinem Kopf, als sie ihr Kommen ankündigten.
Diesmal war Tenan darauf vorbereitet. Nachdem er mit ihrer Hilfe aus seinem Körper ausgetreten war, stand er wieder vor Henom und Deimara. Sie waren ohne die Schar der anderen erschienen. Anscheinend wussten sie bereits vom Scheitern seiner nächtlichen Mission.
»Wenn die Zeit reif ist, musst du noch einmal in den Raum der Stille zurückkehren und das Buch des Meisters mit dir nehmen«, sagte Henom bestimmt. »Du wirst gemerkt haben, wie wichtig es ist. Nur wenn das Buch in die richtigen Hände gelangt, werden wir vom Fluch des Bash-Arak erlöst.«
»Wie soll ich das Buch fortschaffen, wenn ich mich im Zwischenreich befinde? Es ist schwer und lässt sich kaum tragen, selbst wenn ich mich dort mit
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