Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
wirklich, ich würde mich in deine Dienste stellen?«
»Warum eigentlich nicht? Du bist jung. In dir schlummern ungeahnte Kräfte, von denen du selbst nicht das Geringste weißt. Wenn jemand dich lehren würde, deine Fähigkeiten zu entwickeln, sie zu bündeln, könntest du viel erreichen, Großartiges leisten. Du könntest dir deine langgehegten Träume erfüllen.«
Beunruhigt lauschte Tenan seinen Worten. Fast schien es, als könne der Bash-Arak in seine Seele blicken.
»Wie fühltest du dich, als du Leargh in die Grauen Sphären zurücktreiben konntest? Hast du Überlegenheit empfunden? Macht?«
Verwirrt schaute Tenan ihn an. In der Tat, er hatte das Gefühl der Stärke genossen.
»Ja, du fühltest dich mächtig und erhaben, nicht wahr?« Der Bash-Arak begann wieder, ihn langsam in einem weiten Bogen zu umkreisen. Seine Augen hielten ihn in ihrem Bann. »Zum ersten Mal in deinem kleinen Leben wurde dir bewusst, wie großartig es sein kann, die Dinge selbst zu steuern und nicht dem Zufall oder deinen Lehrern ausgeliefert zu sein.« Er machte eine Pause und ließ die Worte auf Tenan wirken. »Du bist für die Zauberei begabt, auch wenn deine Kräfte momentan noch gering sein mögen. Ich spüre es. Dein Meister hat dir anscheinend noch nicht viel beibringen können. Wahrscheinlich weiß er gar nicht, welche Begabung in dir schlummert. Oder dir fehlt es an Disziplin. Vor allem aber fehlt dir eines: ein Kristall wie der Meledos, der deine Kräfte verstärkt und in die richtigen Bahnen lenkt. Mit der richtigen Ausbildung kannst du die Kräfte des Kristalls nutzen.«
»Und wer soll mich lehren? Du etwa?«
»Ich könnte es tatsächlich tun.«
»Nun weiß ich, dass du nicht die Wahrheit sprichst«, spottete Tenan. »Mein Meister sagte mir, dass nur die Enim die Fähigkeit hatten, mit den Kristallen von On umzugehen!«
»Dein Meister hatte recht«, antwortete der Schatten. »Aber ich kenne die Kräfte der Kristalle. Schließlich habe ich lange Zeit unter den Enim gelebt.«
Erstaunt starrte Tenan ihn an. Er konnte nicht glauben, was der andere da eben gesagt hatte. Osyn hatte nie erwähnt, dass der Bash-Arak einst bei den Enim gewesen war. Andererseitshielt Tenan den Schatten für gerissen genug, dass er die Unwahrheit sagte, nur um ihn zu beeindrucken.
Wieder rumpelte ein heftiger Erdstoß durch den Schacht und vergrößerte die Risse im Gestein. Die Wassermassen rauschten immer höher.
Plötzlich schrie Eilenna auf. »Tenan, gib acht!«
Ein großer Brocken hatte sich von der Decke gelöst und fiel herab. Tenan und der Bash-Arak wichen auseinander. Das Felsstück krachte auf die Kante der Plattform und zerstörte einen Teil davon, dann stürzte es in die Fluten. Die Risse im Boden unter Tenans Füßen weiteten sich. Lange würde der Untergrund nicht mehr halten.
Tenan sah ängstlich nach oben. Durch den Felssturz hatte sich – weit oben und unerreichbar entfernt – ein schmaler Spalt gebildet. Er wunderte sich, dass kein Meerwasser von oben eindrang. Stattdessen schimmerte der weiße Glast des Tageslichts herab! Erleichtert atmete er auf. Der Schacht befand sich offenbar nahe der Küste unter dem Festland und nicht unter der Meeresoberfläche.
Er warf einen Blick über die Schulter in die Tiefe. Das Wasser hatte bereits drei der unteren Stockwerke überflutet und stieg unaufhaltsam höher. Der Kampf würde bald ein Ende finden – auf welche Art auch immer.
»Wie lautet also deine Entscheidung?« Die hohe Gestalt des Bash-Arak schob sich bedrohlich in sein Blickfeld. »Ein Leben im Vollbesitz deiner Stärke oder eines im trüben Mittelmaß wie tausend andere?«
Tenans Herz schlug schnell. Vor seinem inneren Auge tauchten plötzlich Bilder auf. Er sah sich in den edlen Gewändern der Ritter von Dan, ein breites Schwert in den Händen, an der Spitze einer stolzen Schar von Kriegern. Ein Kristall,dem Meledos nicht unähnlich, funkelte an seiner Brust. Er nahm die Verheißung der Macht wahr, die der Stein ausstrahlte. Die Kräfte der Natur gehorchten ihm, die Welt lag zu seinen Füßen. Selbst der Bash-Arak würde nur ein Diener sein.
»So einfach könnte dein Leben wahrhaftig sein«, tönte die Stimme des Schattens.
Sie brachte ihn wieder zurück in die Gegenwart. Er drehte den Kopf und erblickte über die lodernde Feuerwand hinweg die Gesichter seiner Freunde, die ihn gebannt beobachteten. Nur Dex hantierte weiterhin verzweifelt an den Kristallen.
Seine Freunde – sie hatten ihn treu bis hierher
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