Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
lächelte leicht und kam näher. Seine Robe raschelte geheimnisvoll. »Ich bin Amberon, der Erzmagier des Hochkönigs. Du kannst von Glück sagen, dass du die letzten beiden Tage überlebt hast. Nicht jeder schafft das, der Bekanntschaft mit einem Schwert aus Schwarzem Feuer gemacht hat. Aber im Tempel der Heilung verstehen wir uns auf solche Verletzungen.«
Tenan tastete nach seinem Arm, der bis zur Schulter verbundenwar. »Was ist passiert? Wie bin ich hierhergekommen? Und – wo bin ich?«
Amberon rückte einen Schemel ans Bett und setzte sich. »Du und deine Freunde wurdet von der Stadtwache aufgegriffen, als ihr euch auf dem Weg nach Meledin befandet. Du wurdest ohnmächtig, als die Verletzung, die das Schwert des Schattens dir zugefügt hat, ihre Wirkung entfaltete. Die Schwarze Magie der Waffe machte deinen Geist empfänglich für die Macht des Todesfürsten. Beinahe wärest du unter seinen Einfluss geraten und in den Grauen Sphären gefangen worden. Sein Geist suchte nach dir.«
»Aber die Verletzung war nicht tief«, warf Tenan ein.
Amberon zog ernst die Augenbrauen nach oben. »Leider werden die Waffen der Dunkelheit schon seit jeher unterschätzt. Sie verursachen grausame Wunden. Meist bemerkt man ihre Gefährlichkeit erst, wenn es schon zu spät ist. Sie bewirken nicht nur körperliche Verletzungen, sondern sie zerstören auch den Lebenswillen und den Geist des Verwundeten, indem sie ihn ins Reich der Finsternis ziehen und alles Gute vernichten. Glücklicherweise konntest du rechtzeitig in den Tempel der Heiler gebracht werden, die mich um Hilfe baten. Mit diesen Mächten habe selbst ich als Erzmagier zuweilen meine Mühe. Die Dunkelheit hatte sich schon weit in deinem Körper ausgebreitet. Ich musste all meine Kunst aufwenden, um dich zu retten. Und damit meine ich nicht nur die Heilung deines verwundeten Arms. Sei unbesorgt, bis auf ein schwarzes Mal wird nichts von der Wunde zurückbleiben. Viel schwieriger war es, deinen Geist vor dem Einfluss der dunklen Mächte zu bewahren, die dich verfolgten. Für einen Ungeübten ist es fast unmöglich, allein aus den Grauen Sphären wieder ins Leben zurückzufinden.«
»Ich habe geträumt ...«, murmelte Tenan, der sich wieder entsinnen konnte. »Auf einer wüsten Ebene standen zwei Tore ...«
»Das waren Weltentore«, erklärte Amberon. »Sie symbolisieren den Zugang zu verschiedenen Reichen. Zugleich trennen sie die Welten voneinander und verhindern, dass Wesenheiten hindurchschlüpfen können, für die es verboten ist.«
»Vor dem schwarzen Tor stand noch jemand. Was ist mit ihm passiert?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Amberon. »Ich konnte mich nicht um ihn kümmern, er war schon zu stark in Achests Zauberbann gefangen. Für ihn gibt es keine Rettung mehr, fürchte ich.«
Tenan starrte den Erzmagier an, dann senkte er den Blick. Obwohl er den Fremden in seinem Traum nicht gekannt hatte, erfüllte ihn eine seltsame, unerklärliche Trauer, als ob es jemand war, der ihm nahegestanden hatte. Ein Bruder im Geiste. Wie seltsam, dass dieser Gedanke ihn nicht losließ.
»Da war noch etwas: eine große Schar von Schatten und ein noch größeres Wesen, das ...«
Amberon unterbrach ihn. »Das sind nicht die Dinge, mit denen du dich jetzt beschäftigen solltest. Die Erinnerung könnte dich den Sphären wieder näher bringen, und dazu bist du noch nicht bereit. Ich werde dich noch einige Male behandeln müssen, bis du an dieses Erlebnis ohne Gefahr denken kannst.«
»Wart Ihr es, der zu mir gesprochen hat? Ich hörte eine Stimme, die sagte, ich solle mich entscheiden, durch das andere Tor zu gehen ...«
»Ich war an jenem Ort, genau wie du«, erwiderte Amberon geheimnisvoll. »Ja, ich habe versucht, dir zu helfen, und bin dir zu den Weltentoren gefolgt. Doch meine Macht ist begrenzt,wenn es darum geht, jemandem eine Entscheidung abzunehmen, die er selber treffen muss. Wenn du diese Wahl nicht selbst bewusst getroffen hättest, wäre meine ganze Magie umsonst gewesen. Ich hätte dir nicht mehr helfen können. Glücklicherweise hast du dich für das andere Tor – das Leben – entschieden.«
Eine Weile schwieg Tenan. Er hatte Mühe, all die verwirrenden Zusammenhänge zu ordnen und deren Sinn zu erfassen. Schließlich fragte er: »Meine Freunde – sind sie ...?«
Der Erzmagier hob beruhigend die Hände. »Es geht ihnen gut, und sie warten nur darauf, dass du wieder zu Kräften kommst.« Als er sah, dass Tenan aufstehen wollte, drückte er ihn sanft
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