Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
Fenster, die in den oberen Etagen des Saales in die Wände eingelassen waren. Sie waren aus besonders geschliffenen Gläsern gefertigt, welche die Eigenschaft hatten, das Licht stetsim Mittelpunkt des Saales zu bündeln. Auch des Nachts sammelten sie Mond- und Sternenlicht und verstärkten es zu einem beruhigenden Leuchten. Auf diese Weise war der Saal zu jeder Tages- und Nachtzeit von einer sanften Helligkeit erfüllt, sogar dann, wenn der Himmel von Wolken verhangen war.
Zwei lange Reihen von Sitzplätzen bildeten einen Gang inmitten des Raums. Auf schmucklosen Sesseln hatten die Großmeister von Dan Platz genommen. Sie saßen aufrecht, die Roben und Gewänder nach Vorschrift streng geordnet und gefaltet, die Gesichter den Neuankömmlingen regungslos zugewandt, und strahlten Strenge und Beherrschung aus. An ihren breiten Gürteln erkannte Tenan die silberne Flöte, die jeder Ritter zum Zeichen seiner Initiation bei sich trug.
Langsam schritten die Gefährten an der Reihe der Dan- Ritter entlang. Es herrschte erwartungsvolles Schweigen. Tenan fühlte sich unter den Blicken der Dan-Meister unbehaglich, seine Aufregung nahm zu, er begann zu schwitzen.
An der gegenüberliegenden Seite der Halle stand ein schmuck loser Thron aus Alabaster auf einem Podest mit drei Stufen, das von einem blauen Baldachin gekrönt wurde. Darauf saß ein alter, bärtiger Mann, dessen schlichtes weißes Gewand seine Souveränität und Würde unterstrich. Ein schmaler Silberreif mit einem blauen Edelstein umspannte seine edle Stirn. Seine Rechte ruhte auf dem Knauf eines Schwertes, das mit der Spitze nach unten vor ihm auf dem Boden stand: Es war Anoth, das Schwert der Herrscher Algarads und gleichzeitig die wichtigste Insignie des Reichs, wie Tenan aus seinen Studien bei Osyn wusste.
Vor den Stufen des Podests blieben sie stehen. Amberon verbeugte sich ehrerbietig vor dem Hochkönig, und die Gefährten taten es ihm gleich.
Der Blick Andorins glitt wohlwollend über die kleine Gruppe der Fremden. Tenan war im Innersten berührt von der Güte, die aus seinen Augen strahlte. Ihm war, als verkörpere der Hochkönig die Tiefe und Weisheit des Urgrunds aller Dinge.
» Delinasté! Seid willkommen.« Andorins kraftvolle Stimme hallte durch den Saal, und seine Augen schimmerten freundlich, als er ihnen mit einem Kopfnicken bedeutete, sich zu erheben.
»Amberon hat mir berichtet, dass eure Mission dringend sei und ihr wichtige Nachrichten aus dem Süden bringt. Ich muss gestehen, dass ich überrascht war, als ich hörte, dass Reisende aus Gondun hier eingetroffen sind. Schon lange gab es keine Kunde mehr von dort. Mein Rat und ich sind begierig, die Neuigkeiten zu hören. Wer von euch wird sprechen?«
»Ich glaube, du bist als Einziger in der Lage, einen ausführlichen Bericht zu geben«, flüsterte Chast Tenan zu und schob ihn sanft nach vorn.
Aller Blicke wandten sich ihm zu. Tenan schaute nervös in die Runde und befeuchtete die Lippen. Noch nie hatte er vor einem König und einer Ratsversammlung gesprochen.
Amberon nickte ihm aufmunternd zu. Also begann er, stockend zuerst, zu erzählen. Schon bald kamen ihm die Worte leichter über die Lippen. Während er sprach, zogen die Bilder und Ereignisse der langen Reise noch einmal an ihm vorüber: der Fund des Kristalls, Osyns Auftrag, ihn nach Meledin zu bringen, die Flucht auf der Dakany, die Gefangennahme und Verfolgung durch die Piraten und schließlich der abenteuerliche Weg durch die Gänge Atalas und der Kampf mit dem Bash-Arak, der schließlich mit dem Verlust des Meledos endete.
Die Ratsmitglieder lauschten seinem Bericht mit wachsendemErstaunen. Amberon und Andorin wechselten ernste Blicke, als Tenan von dem Meledos erzählte.
Als er den Bericht beendet hatte, herrschte Schweigen. Schließlich meinte Andorin: »Das sind in der Tat beunruhigende Nachrichten, die ihr bringt. Der Orden von Dan hatte schon lange die Vermutung, dass Achest Böses im Schilde führt. Unsere Spione berichteten uns, dass er in Caithas Dun ein gewaltiges Heer aufstellt und zum Krieg rüstet. Doch wir konnten uns nicht erklären, woher die Truppen kamen, die er zusammenzog. Einer unser mutigsten Ritter, Lord Iru, machte sich vor vielen Wochen auf ins Land des Todesfürsten, um die geheimnisvollen Vorgänge zu beobachten. Wir wissen, dass er mit der Lethis die gefährlichen Gewässer vor Achests Insel erreichte, doch seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört. Er ist wie vom Erdboden verschwunden.« Der
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