Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
könnte! Eine magische Waffe ... Da kam ihm die rettende Idee. Natürlich! Wie hatte er nur seinen Com, den Zauberstab der Comori, vergessen können! Hastig nestelte er nach dem dünnen Stab, der in seinem Gürtel steckte, und zog ihn heraus. Im Stillen dankte er Osyn, dass er ihn daran erinnert hatte, ihn mit sich zu nehmen, als er losgezogen war. Vielleicht würde der Stab den Gegner einschüchtern oder auf Abstand halten. Tenan musste nur selbstbewusst wirken und den Eindruck vermitteln, dass er damit umgehen konnte.
Die Augenlider Learghs verengten sich zu dünnen Schlitzen, als er merkte, dass Tenan sich ihm widersetzen wollte. Seine Flügel rauschten angriffslustig nach oben, ein blauer Funkenregen umhüllte ihn.
Tenan stellte sich breitbeinig vor ihn. Instinktiv umfasste er den Kristall wie eine Waffe und hielt ihn hoch. »Trau dich nicht näher heran!«
Zu seinem Erstaunen gehorchte Leargh. Er schwebte weiterhin gut vier Ellen entfernt von ihm.
»Sei kein Narr«, wisperte der Schatten. »Du weißt nicht, mit welchen Kräften du es hier zu tun hast. Der Kristall ist wertlos für dich. Gib ihn mir, oder es wird dein Tod sein.«
»Weshalb ist er so wichtig für dich?«
»Das geht dich nichts an!«, fauchte Leargh und streckte wieder die Krallenhand aus.
»Ich habe ihn gefunden«, erwiderte Tenan fest. »Also werde ich ihn behalten.«
Der andere knurrte voller Verachtung. »Wie kommst du dar auf? Schon viele haben den Kristall vergeblich für sich beansprucht, und es waren mächtigere, weisere Wesen als du.«
»Wenn das so ist, darf ich dir den Kristall erst recht nicht geben«, gab Tenan frech zurück.
Leargh zischte gefährlich. »Willst du dein Schicksal versuchen? Reiz mich nicht, oder es wird böse enden.«
»Warum holst du ihn dir nicht einfach? Bist du wirklich so mächtig? Nur zu!«
Der Blick des Schattendämons huschte unruhig zu dem Kristall in Tenans Hand. Etwas an ihm konnte Leargh anscheinend gefährlich werden. Wieder versuchte er näher zu kommen, wieder wich er zurück, als Tenan den Stein zur Abwehr höher hielt. Der Dämon wurde offenbar durch eine unsichtbare Kraft, die von dem Kristall ausging, in Schach gehalten. Die roten Strahlen wurden unruhiger, flimmerten intensiver, griffen hinaus in die Finsternis, als wollten sie Learghs Gestalt berühren. Jedes Mal, wenn sie ihn erreichten, zuckte der Schattendämon zurück, als hätte er sich verbrannt.
Widerstrebend schwebte er ein Stück zurück, um den Abstand zu Tenan zu vergrößern. Seine Augen versprühten tiefsten Hass. »Du solltest nicht unbedacht mit dem Stein um gehen, sonst wenden sich seine Kräfte gegen dich.«
»Ich habe den Eindruck, dass ich damit im Augenblick weniger Probleme habe als du«, konterte Tenan. »Du kannst nicht näher kommen, weil die Macht des Kristalls dich abhält. Ist es nicht so?«
Das Schattenwesen schwieg. Die unheimlichen weißen Pupillen fixierten Tenan.
»Darum ist er auch so wertvoll für dich«, sinnierte er weiter. »Der Stein stellt eine Bedrohung für dich dar!«
»Täusche dich nicht«, zischte Leargh, aber im Ausdruck seines Blicks konnte Tenan erkennen, dass er mit seiner Vermutung so falsch nicht lag. Er frohlockte innerlich.
Doch dann faltete der Schatten seine Drachenflügel um den Leib. »Du kannst nicht an mir vorbei. Der Weg in die Freiheit ist dir versperrt. Wer von uns, meinst du, muss früher aufgeben? Ich für meinen Teil habe Zeit – die Zeit der Ewigkeit. Glaube mir, ich kenne die Ewigkeit aus den Grauen Sphären.«
Die Lage war aussichtslos. Der Kristall hielt Leargh auf Abstand, aber er konnte ihn nicht vertreiben. Tenan musste irgendetwas anderes unternehmen, um Leargh zumindest kurz in die Flucht zu schlagen, sodass er entkommen konnte.
Er reckte den Com höher. Es war eher eine Geste der Verzweiflung als eine wirkliche Drohung. Auch Leargh schien das so zu sehen. Er lachte spöttisch, als er den Stab sah. »Du willst mich mit dem Com eines Zauberlehrlings erschrecken? Ich zittere vor Furcht!«
Tenan musste ihm recht geben. Er stellte keine wirkliche Bedrohung dar. Er kannte ja nicht einmal einen einzigen Zauberspruch, der Leargh gefährlich werden konnte! In seinem ganzen Studium hatte er bisher nur sinnlose Ernte- und Heilungszauber gelernt. Osyn war sehr darauf bedacht gewesen, ihm ausnahmslos die ungefährlichen Arten der Magie beizubringen. Du richtest ja selbst mit den harmlosesten Zaubersprüchen nur Unheil an , hörte er die Stimme seines Meisters in
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