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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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gezogen.
    »Verflucht sei der Tag, an dem du geboren wurdest!«, kreischte der Schatten. »Verflucht sei dein Name! Verflucht seien die Enim!«
    Dann löste er sich im Nichts auf, und die Wand aus Feuer erlosch. Was blieb, war Stille.
    Tenan sank erschöpft auf die Knie. Der Kristall und der Com entglitten seinen Fingern und landeten klirrend auf dem Felsboden. Der Stein gab nur noch ein schwaches Glühen von sich, kaum stark genug, um seine Umgebung zu erhellen und die Überreste des Com zu zeigen, der versengt und zerbrochen dalag. Der weiße Kristall an seiner Spitze war zu einem kleinen Tropfen geschmolzen.
    Seltsamerweise empfand Tenan keine Schmerzen in seinen Händen. Die magische Entladung hatte ihm nichts anhaben können, als sei er vor ihren gewaltigen Kräften geschützt gewesen.
    Er begann zu schluchzen und barg den Kopf in seinen Armen. Er konnte nicht fassen, was geschehen war. Eine solche Entladung geballter Energie hatte er noch nie erlebt. Ihm war klar, dass nicht er allein für dieses Flammenmeer gesorgt hatte – es musste mit dem Stein in Verbindung stehen. Tenan war allenfalls der Auslöser dafür gewesen. Der Kristall hatte unberechenbareEigenschaften, die ihn zu einer gefährlichen Waffe machen konnten.
    Tenan versuchte sich zu beruhigen, indem er tief atmete, wie Osyn es ihm beigebracht hatte, wenn er die Ruhe des Geistes finden sollte. Er brauchte einige Zeit, um seine wirbelnden Gedanken und aufgewühlten Gefühle einigermaßen in den Griff zu bekommen und an die nächsten Schritte denken zu können. Osyn! Er musste schnellstens zu seinem Meister, ihm von dem Vorfall berichten und den Kristall zeigen!
    Tenan griff nach dem Kristall und versuchte aufzustehen. Zitternd und taumelnd wie ein Betrunkener kam er auf die Beine. Geleitet vom düsteren Strahlen des Steins begann er den Weg nach draußen zu suchen, hinaus aus dem finsteren Labyrinth der Höhlen.

9
    Dicker, zäher Nebel wirbelte in den Grauen Sphären, die von geisterhaften Geräuschen erfüllt waren. Tausende und Abertausende von lichtlosen Gestalten folgten einem breiten Pfad, der über eine kahle, endlose Ebene führte. Es gab keine Sträucher, keine Bäume. Der Boden unter den Schattenwesen bestand aus geschmolzenem Stein, aus Schlacken von Lava, die vom ständigen kalten Wind glatt geschliffen worden war. Die Körper der Schatten zeichneten sich nur schemenhaft im trüben Dämmerlicht ab. Ab und zu formten sich ihre Gesichter aus dem fahlen Grau: Sie blickten leer und gebrochen, als seien sie schon längst gestorben. Aber sie konnten die letzte Reise in lichte Bereiche nicht antreten, weil ihnen das ein starkerZauber verwehrte. Viele schleppten sich nur noch mit letzter Kraft voran. Ein ständiges Flüstern und Wispern erfüllte die Luft: Die Schatten unterhielten sich. Sie erzählten sich von Kriegen und Kämpfen, von Tod und Grausamkeit, von Leid und immerwährender Pein. Und sie lauschten der unhörbaren Stimme ihres Herrn und Meisters, des Bash-Arak, der zu ihnen sprach und seinen Willen kundtat. Seine Gedanken waren ihre Gedanken. Sie folgten ihm ohne Zögern und Widerstand. Er hatte ihnen befohlen, sich bei den beiden Weltentoren einzufinden und auf ihren Marschbefehl zu warten.
    Auf dieser Ebene des Seins gab es keine Müdigkeit, keine Bedürfnisse des Körpers, keine Freude, nur das drängende Verlangen, endlich nach Algarad, in die Welt der Menschen, zu gelangen. Viele der Schatten lebten schon immer hier, doch die meisten waren gefallene Wesen aus helleren Bereichen, die ihre wahre Aufgabe verraten hatten und von den Erzmagiern hierher verbannt worden waren, um im ewigen Zwielicht zu leben.
    Wie in einer bedrückenden Prozession strebten die zahllosen Gestalten dem Horizont entgegen. Ihr Ziel war eine große Erhebung, die aus scharfkantigen Graten bestand und von zerklüfteten Schluchten und Tälern umgeben war. Sie stand inmitten der Ebene. Ein breiter Fluss aus schwarzem Feuer durchschnitt den Weg zu diesem Berg, als wolle er ein Weiterkommen unmöglich machen. Seine Flammen leckten und züngelten gierig nach den Schattenwesen, die sich ihm unbeirrt näherten. Es gab keine Brücke, die hinüberführte. Doch die Schatten wichen nicht aus: Sie liefen ohne Zögern direkt in den Fluss und versanken vollkommen in der finsteren Glut. Dort ergötzten sie sich am kalten Feuer und begannen in lautloser Verzückung zu brennen. Sie spürten keinen Schmerz.
    Viele blieben lange in den schwarzen Flammen, während andere wieder

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