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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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Kalkfelsen langsam goldfarben, dann orange und schließlich zinnoberrot. Sanft und beruhigend rauschten die Wellen tief unten im Meer.
    Der Abendwind zauste durch Tenans Haar. Er überschattete die Augen mit der Hand. Mehrere Kriegsschiffe bewegten sich in majestätischer Langsamkeit über das Wasser. Sie waren in der Entfernung kaum zu erkennen. Ihre dreieckigen Segel ragten wie Haifischflossen in die Höhe. Sie hatten Dorlin verlassen und segelten nun auf die offene See hinaus, dem Horizont entgegen. Die Schiffe des Hochkönigs. Amris befand sich auf einem von ihnen. Er war einer der vielen Mutigen, die freiwilligin die Armee des Hochkönigs eingetreten waren. Tenan winkte stumm zum Abschied, obwohl er wusste, dass keiner es sehen konnte.

14
    Drei riesige Dronth-Brecher lagen vor der Ostküste Gonduns wie schwarze Meeresungeheuer. Sie waren zu groß und zu träge, um näher an das Ufer zu fahren, und so hatten sie in einiger Entfernung Anker geworfen. Aus ihren geöffneten Ladeluken spien sie eine Unzahl kleinerer Schiffe und Boote aus, die mit schwerem Kriegsgerät beladen waren. Die Sandstrände und Kiesbuchten im Osten Gonduns färbten sich dunkel, als sich Scharen von Gredows wie zäher Schlamm über sie ergossen. Geifernd sprangen sie aus den Booten, die zu Hunderten am Strand anlegten. Die Krieger schwangen alle Arten von grausamen Waffen: Breitschwerter mit gezackten Doppelklingen, gewaltige Morgensterne mit Eisenpiken, mannshohe Speere und Schilde, an deren Rändern Stacheln und Eisensplitter angebracht waren.
    Die Gredows waren die gefürchteten Elitesoldaten des Todesfürsten. Sie waren von großem Wuchs, wuchtig, kraftvoll und kampferprobt. Ihre schweren Rüstungen, die aus mehreren Schichten schwarzen Scildraun-Stahls gefertigt waren, klirrten bei jedem Schritt furchteinflößend. Darunter trugen sie Kettenhemden und Eisenplättchen, die fast jede Blöße verdeckten. Breite, bis über den Nacken geschwungene Helme schützten den Kopf der Krieger und verbargen ihre Fratzen, die nur wenige Menschen in Algarad je gesehen hatten. Ausden dünnen Sehschlitzen glühten gelbe oder rote Augen im Rausch von Blutgier und Zerstörungswut. Nach quälenden Jahren der Untätigkeit und des Wartens würden sie endlich wieder losschlagen! Grausamkeit war ihre Bestimmung, Schmerz und Tod ihr Ziel. Ihr ganzes Sein war darauf ausgerichtet, Leben zu vernichten und damit den Willen ihres Herrn auszuführen. Und Achest Todesfürst hatte klare Befehle gegeben.

15
    Mehrere Tage waren seit Amris’ Abreise verstrichen, und nichts war geschehen, wie Tenan mit Unwillen feststellte. Osyn erwähnte den Kristall mit keinem Wort, und er wagte nicht danach zu fragen. Tenans Ungeduld wuchs. Warum unternahm sein Meister nichts? Er war überzeugt, dass der Kristall nicht einfach ungeschützt auf Gondun bleiben durfte.
    Eines Abends – Osyn machte sich seit Stunden oben im Speicher der Hütte zu schaffen – saß Tenan am offenen Fenster der Stube und schaute hinaus in den Garten. Es war einer der letzten lauen Sommerabende, und die warme Luft wehte durchs Fenster hinein. Die Bienen kehrten nach einem emsigen Tag wieder zurück in ihre Stöcke. Eine schläfrige Ruhe lag über dem Dorf, das langsam im Dämmerlicht versank.
    Osyn hatte ihm zum ersten Mal seit seinem missglückten Feuerzauber wieder eine Aufgabe gegeben: Er sollte die alten Schriften über Meledin studieren. »Du wirst dein Wissen noch brauchen. Und untersteh dich, das Buch zur Seite zu legen, bevor du nicht die gesamte Lage und Aufteilung der Stadt auswendiggelernt hast!« Tenan hatte verächtlich geschnaubt, aber keine Widerrede gewagt. Wozu sollte er etwas über die Hauptstadt Algarads lernen, wenn er sie doch nie besuchen würde?
    Er beugte sich widerwillig über den staubigen, alten Folianten. Doch sein Blick verweilte nicht lange auf den Buchseiten, er wanderte wieder durchs offene Fenster ins Freie. Aus der Ferne drang Hundegebell an sein Ohr. Es war Jock, der Hund seines Freundes Amris, der in den letzten Tagen dauernd bellte und nachts den Mond anheulte. Tenan wusste, dass er Amris vermisste; ihm selbst ging es nicht anders: Auch ihm fehlte der Freund. Er versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass er ihn irgendwann wiedersehen würde, wenn Amris als Soldat nach Esgalin zurückkehrte.
    Plötzlich bewegte sich das hohe Farnkraut vor dem Haus. Etwas raschelte. Es war nicht der Wind. Tenan richtete sich auf und suchte den Garten ab. Nichts. War es nur ein

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