Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
gesagt hatte.
Wieder lachten die anderen, außer Hergan. »Es ist widerlich, wie ihr euch benehmt«, fauchte sie. »Und von dir, Tenan von Esgalin, hätte ich wirklich etwas anderes erwartet!«
Fenn und Unne johlten und schlugen Tenan auf die Schulter. Hergan machte auf dem Absatz kehrt und steuerte mit festen Schritten auf das Wirtshaus zu.
Tenan starrte ihr betreten nach.
»Na, das Wirtshaus können wir für heute wohl vergessen. Kommt, wir gehen in die Scheune bei uns im Hof und spielen ein paar Runden Cab«, sagte Fenn.
Tenan war eigentlich gar nicht nach Spielen zumute. Er kam nur widerwillig mit zur Scheune. Doch dann vergaß er seine Probleme tatsächlich für eine kleine Weile bei Würfeln und Wein.
12
Drei schwere Dronth-Brecher bewegten sich, schwarzen Todesengeln gleich, gen Westen. Ihre prall gefüllten Segel wölbten sich wie Leichentücher im rauen Wind und brachten sie in schneller Fahrt zu ihrem Ziel: der kleinen Insel Gondun, die im Reich von Algarad ein einsamer Außenposten war. Sie bildete das schwache und einzige Bollwerk gegen die immerwährende Bedrohung aus dem Osten.
Drynn Dur beobachtete vom Bug der Acheron aus, wie der Küstenstreifen immer näher rückte. Schon bald konnte er Einzelheiten ausmachen: Wälder, Felsen, verlassene Burgruinenund weite Strände aus weißem Sand. Hier und da schimmerte Licht aus den Fenstern der Dörfer.
Drynn Durs Anspannung hatte nachgelassen, seitdem er die neuen Befehle seines Meisters entgegengenommen hatte und die Suchaktion am Dämonenstich einstellen konnte. Der neue Auftrag war ganz nach seinem Geschmack: »Finde den Meledos und setze dabei jedes Mittel ein. Gehe schnell und wirkungsvoll vor und verhindere um jeden Preis, dass der Kristall von Gondun verschwindet!« Achest gab ihm also freie Hand und billigte, dass er gegen die Inselbewohner rücksichtslos vorging, auch wenn das Krieg mit Algarad bedeutete. Doch das war Drynn Dur ohnehin gleichgültig. Schließlich verstand er sich auf das Kriegshandwerk am besten, ebenso wie seine Gredows. Und noch viel wichtiger: Er würde Achests Vertrauen und seine Anerkennung neu gewinnen können.
Er wandte sich zur Seite, um die beiden anderen Dronth-Brecher, die Dethor und die Hiron, zu bewundern. Die Schiffe durchpflügten die Wellen mit düsterer Erhabenheit. Die Besatzung, die zum größten Teil aus Gredows bestand, war kaum auf den ausladenden Decks zu erkennen und nahm sich zwischen den mächtigen Stämmen der Masten lächerlich klein aus.
Die Dronth-Brecher trugen eine tödliche Fracht: Katapulte, Rammböcke, fahrbare Wehrtürme und anderes Kriegsgerät. Aber auch einige tausend Gredow-Krieger füllten die Frachtebenen in ihren Rümpfen. Sie waren bereit für die Invasion, welche die Einwohner Gonduns erst bemerken würden, wenn es viel zu spät war.
13
Tenan kehrte spätnachts in Osyns Hütte zurück. In der Kammer seines Meisters brannte Licht, er schien also tatsächlich noch wach zu sein. Tenan wollte verstohlen hineinschauen, um zu sehen, was Osyn dort machte, doch die Vorhänge waren zugezogen. Also ging er leise in seine Dachkammer und legte sich schlafen.
Bilder des vergangenen Tages blitzten vor seinem inneren Auge auf. Was hatte er heute erlebt! Langsam dämmerte er in einen unruhigen Schlaf. Ein Teil seines Bewusstseins nahm wahr, wie sich die Pforten seiner Traumwelt öffneten und ihn auf jenen Pfad führten, den er schon so oft betreten hatte. Allzu oft. Die Düsternis der Szene erfüllte ihn mit Grauen. Doch er wusste, es hatte keinen Sinn, wenn er sich wehrte. Aus den Tiefen seiner Seele gab es kein Entkommen.
Er ist eingesperrt in einen viel zu kleinen Körper. Schreien als einzige Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Ist da denn niemand? Sie kommen! Sie kommen! Er spürt die Gefahr. Doch keiner hört es, alle schlafen. Natürlich. Sie haben ihr ganzes Leben geschlafen. Sie träumen den Traum der Glückseligkeit. Der Einheit aller Dinge. Doch dieser Traum wird heute Nacht endgültig zerstört. Er ist seit Urzeiten dazu verdammt, irgendwann sein grausames Ende zu finden. Er erlischt in dieser Nacht wie eine blakende Kerzenflamme im Sturm. Das Ende kommt ebenso erwartet wie überraschend.
Gefühle stürmen auf ihn ein: Verlassenheit, Einsamkeit, pure Angst. Namenloses Entsetzen.
Plötzlich tauchen sie auf. Wie ein Gewitter brechen sie in die friedliche Stille der Nacht hinein. Lärm, der die Ruhe des Schlafs zerreißt. Berstendes Gestein. Metallklirren, Entsetzens- und
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