Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
verraten.
Endlich hatte Urisk sein Mahl beendet und wischte sich glücklich mit dem Handrücken über den Mund. Mit einem zufriedenen Seufzer lehnte er sich zurück und schaute die anderen an. »Gut hat einem das getan.«
»Jetzt erzähl endlich weiter«, drängte Tenan. »Was hast du erlebt?«
Nun, da Urisk keinen Hunger mehr verspürte, setzte auch sein Verstand wieder ein. Er blickte unsicher zu Osyn, als wollte er dessen Erlaubnis einholen, frei sprechen zu dürfen.
Dieser rückte seinen Stuhl heran und schaute den Fairin durchdringend an. »Was hat dich hierher geführt? Soviel ich weiß, verlässt du die östlichen Ausläufer des Waldes von Rhun nur im äußersten Notfall. Und wir hatten vereinbart, dass du dich nie hier blicken lässt.«
Urisk nickte eifrig. »Ja, ja, eine Abmachung, eine Weisung vom großen Zauberer! Man hat es nicht vergessen. Aber es war nötig, sie zu umgehen. Schreckliche Dinge haben sich im Osten ereignet.«
Er begann umständlich zu berichten. Ständig schweifte er in unwichtige Details ab und verlor sich in ausführlichen Schilderungen, sprang unvermittelt von einem Ereignis zum nächsten. Es war schwer, seiner Erzählung zu folgen. Doch bald schon zeichnete sich ein erschreckendes Bild der Geschehnisse im Osten der Insel ab.
Vor wenigen Tagen waren dort drei riesige schwarze Schiffe gelandet. Krieger in dunklen Rüstungen, die man Gredows nannte, waren an Land gegangen und hatten damit begonnen, Siedlungen und Dörfer niederzubrennen. Die Bewohner, die nicht getötet worden waren, wurden grausamen Verhören unterzogen, bei denen die Soldaten nach dem Verbleib eines magischen Kristalls fragten.
Tenan warf Osyn einen erschrockenen Blick zu. Doch der lauschte Urisks Bericht mit versteinerter Miene.
Wer unter der Folter nicht starb oder danach hingerichtet wurde, wurde auf die dunklen Schiffe verschleppt. Die wenigen Krieger des Hochkönigs, die Gondun vor Räubern und Banden schützen sollten, waren getötet worden. Urisk hatte einen der Hauptleute der Gredows belauscht und erfahren, dass der Hafen von Lagath und dessen Umgebung das nächste Ziel sein würden. Die Gredows hatten vor, sich unbemerkt zur Westküste vorzukämpfen und die ganze Insel zu besetzen.
»Man hörte den einen der Krieger auch erzählen, dass sie den mächtigen Ritter gefangen halten, der den Kristall aus der Festung des bösen Herrschers gestohlen hat«, berichtete Urisk eifrig weiter.
Diese Nachricht ließ Osyn erschrocken aufhorchen. »Haben sie den Namen des Gefangenen erwähnt?«
Urisk schüttelte den Kopf. »Kein Name. Man sagt, es ist ein Ritter aus dem Orden der Dan.«
Tenan sah, wie Osyn entsetzt die Augen schloss, als sei diese Nachricht besonders schrecklich.
Als Achests Krieger schließlich damit begonnen hatten, den Wald nach Verstecken abzusuchen, Bäume zu fällen und Lager zu errichten, war Urisk geflohen.
»Warum haben wir hier nichts von dem Überfall gehört? Es müssten doch Flüchtlinge nach Westen unterwegs sein.« Tenan schaute fragend zu seinem Meister.
»Keiner kommt durch – außer dem schlauen Urisk!«, brüstete sich der Fairin.
Osyn stimmte ihm zu. »Achests Krieger erledigen ihre Arbeit leider nur zu gut. Sie töten jeden, der entkommen will oder sich den Orten der Zerstörung nähert.«
»Aber es müsste doch auffallen, dass keine Waren mehr geliefert werden, dass es keinen Austausch zwischen den Dörfern mehr gibt ...«
»Die Gredows verfolgen eine grausame Taktik«, antwortete sein Meister. »Bevor sie ein Dorf angreifen, kreisen sie es ein und senden ihre Bogenschützen aus. Es sind keine gewöhnlichen Schützen: Sie haben die Gabe, sich unsichtbar zu machen, tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder. Erst wenn sie in einem Umkreis von einigen Meilen – sie nennen ihn den Ring des Todes – jeden Reisenden, Händler oder Bauern getötet haben, der Nachricht von einem bevorstehenden Angriff ins Land bringen könnte, schlagen die Gredows los. Auf diese Weise kommt jeder Überfall völlig überraschend, da niemand etwas ahnt. In den umliegenden Dörfern, die außerhalb des Rings des Todes liegen, häufen sich vielleicht die Meldungen, dass Reisende vermisst werden. Wenn man das Vorgehen der Gredows kennt, kann man sich ausrechnen, was vor sich geht. Nur ist es dann meist schon zu spät.«
»Wie konntest ausgerechnet du den Gredows und Bogenschützen entkommen?«, fragte Tenan den Fairin. »Außer Fressen hast du doch nichts im Kopf.«
Sichtlich beleidigt
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