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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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die Klippe hinunter. Es ist, als werfe er gleichzeitig seine Seele in den Abgrund.
    Der Kristall schlägt hart gegen die Felsen, zersplittert in blau schimmernden Funken. Sie regnen wie Sternenstaub in die Tiefe. Ihr tausendfältiger Glanz erleuchtet die Brandung, dann verlöschen sie.
    Die Hunde brechen aus dem Gehölz hervor. Das Rufen der Krieger hallt über die Klippe.
    Zu spät. Zu spät, um die Steine einzeln zu zerstören. Der Mann tritt an den Rand der Felsen. Gleich werden die Zähne der Hunde in sein Fleisch schlagen. Schon kann er den heißen Atem der Tiere wahrnehmen. Er dreht den Beutel um und schüttet seinen Inhalt in die Finsternis. Die Kristalle verstreuen sich, zerbersten an den Felskanten, zersplittern in buntem Farbenspiel. Ihre Bruchstücke glitzern auf den Wogen der See, als ob sie die Pracht des Sternenhimmels am Firmament widerspiegeln wollten.
    Dann breitet der Mann die Arme aus. Ein Schritt nur. Der endlose Abgrund öffnet sich, empfängt ihn. Die geifernden Fänge der Bluthunde schnappen ins Leere. Und die Sterne erwachen zum Leben und saugen ihn hinein ins wirbelnde Nichts.

    Tenan erwachte. Sein Herz raste, sein Körper vibrierte vor Angst. Wieder ein Albtraum, doch diese Bilder waren neu.
    Er wischte mit den Händen über sein schweißnasses Gesicht, richtete sich auf und blinzelte durch die schmale Sichtluke in der Bordwand. Der Mond, eine schmale Sichel über den silbern blitzenden Wellen, war nur wenig weitergewandert. Er konnte nicht lange geschlafen haben, seit er zu Bett gegangen war. Dennoch war an Weiterschlafen nicht zu denken. Nachdenken und Grübeln würden nicht helfen, aber ein bisschen frische Luft würde guttun.
    Leise erhob er sich, um Chast nicht zu wecken, der wie immer in tiefem, weinseligem Schlummer im hinteren Teil der Kajüte in seiner Koje schnarchte. Tenan schlich durch den schmalen Gang, der zu der dreistufigen Treppe am Ende des Schotthecks führte, öffnete die Luke und trat hinaus aufs Mitteldeck unter den Nachthimmel.
    Die Lichter zweier Fackeln leuchteten im leichten Westwind, sonst herrschte Dunkelheit. Das Schiff schaukelte sanft, die Planken knarrten leise. Tenan blickte zu den Sternen empor, die sich wie ein milchiges Band durch die Finsternis zogen. Ihm wurde leicht schwindlig auf dem schwankenden Schiff. Für einen kurzen Augenblick kam es ihm vor, als bewegten sich die Sterne. Fast erwartete er, sie würden sich zu einer Spirale vereinen und in wirbelnder Schwärze zusammenfallen, so wie er es eben in seinem Albtraum erlebt hatte.
    Tenan war ganz allein. Er spähte hinauf zum Mastkorb des Fockmastes. Die Seeleute nannten die Plattform des Wachpostens scherzhaft das Krähennest. Ein Matrose kauerte dort oben und schien zu dösen. Tenan lehnte sich auf die Reling, und eine sanfte Brise kühlte sein erhitztes Gesicht. Er schaute hinüber zu den Kerr-Inseln. Sie waren im Dunkeln kaum zu erkennen, eine weite, unwirtliche Ansammlung von Felsen und Hochebenen.
    Umso erstaunter war er, als er über dem Meer plötzlich ein Licht aufblitzen sah. Kurz, unbeständig. Seine Augen mussten ihn täuschen. Er wollte sich abwenden, doch es blitzte wieder auf. Tatsächlich! Da war es! Kaum wahrnehmbar blinkte es in rhythmischem Abstand. Es schien von einer der Inseln zu kommen, die westlich von ihnen lagen. Irgendjemand versuchte, Zeichen zu geben und eine Botschaft zu übermitteln. Doch wer? Und was für eine Botschaft? Soweit Tenan von Harrid und Chast gehört hatte, waren die Kerr-Inseln seit vielen Jahren verlassen und unbewohnt, da sie abseits der Handelsrouten lagen, nur äußerst schwer zu erreichen waren und keine Lebensgrundlage boten. Abgesehen vom Meer der Stille, das die Inseln nach Süden hin abschirmte, umgab sie ein Ring gefährlicher Untiefen und Riffe im Norden, der nur durch die Meerengevon Sinth unterbrochen wurde. Kein vernünftiger Mensch würde sich auf den Kerr-Inseln niederlassen.
    Wieder blitzte das Licht auf. Tenan schaute sich um. Wenn das wirklich eine Botschaft war, so musste es auf der Dakany einen Empfänger dafür geben. Im Halbdunkel konnte er wenig erkennen, das Deck war nach wie vor menschenleer. Nun hatte das Blinken aufgehört. Nichts. Keine Antwort. Die Fackeln flackerten in einer Windböe.
    Auf einmal sah er einen Schimmer auf dem Wasser, eine Spiegelung von Licht, gekräuselt auf den Wellen, das sofort wieder verlosch. Er beugte sich über die Reling und schaute am Schiffsrumpf entlang. Bodenlose Schwärze klaffte ihm entgegen.

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