Das Siegel der Macht
Gefahren?«, flüsterte Elana erschrocken.
»Schattenhafte Feinde. Alexius ist einem Geheimnis auf der Spur. Mehr kann ich Euch leider nicht sagen.« Gerberts Augen folgten einem Klosterbruder, der das Gotteshaus betrat. Der Abt war bereit, Kaiser Otto zu empfangen.
Die Begegnung mit Romuald verlief anders als erwartet. Der lebende Heilige schlug jedes Zeremoniell in den Wind. Keine Ehrerweisungen, nicht einmal ein freundliches Wort. Mit Gewalt hatte der Kaiser ihn aus seiner Einsiedelei auf der Poinsel herausgerissen und zum Abt gemacht. Romuald hasste sein Amt im Kloster. Es brachte seine Ruhe und Reinheit in Gefahr. Ohne ein Wort trat der Heilige vor den Kaiser, gab Otto keine Gelegenheit, seine Füße zu küssen. Romuald hob den Abtstab gegen den Himmel und warf ihn weg. Bei Sonnenuntergang war er wieder auf seiner einsamen Insel.
Zwei Tage später erreichte ein imposantes Schiff die Insel Pereum. Das bewaffnete Gefolge blieb am Ufer zurück. Allein und in Büßerkleidung fanden Otto und Elana den Weg zur Einsiedelei. Die Behausung war dürftig. Ein brüchiges Dach und vier Holzwände, sonst nichts. Keine Küche, nur eine offene Feuerstelle. Eremiten aßen selten und nie gemeinsam. Jeder ernährte sich, wie er mochte, fing mit der bloßen Hand Fische, sammelte Früchte oder Kastanien. Aber auf der Insel war man wenigstens vor wilden Tieren sicher. Vorher hatte Romuald auf dem Festland gelebt, wo die Wolfsplage ihm Tag und Nacht zusetzte.
Romuald saß im Kreis seiner Schüler. Respektvoll warteten der Kaiser und Elana in einiger Entfernung, beobachteten die Männer Gottes. Alle barfuß, mager, ungepflegt. Die leuchtenden Augen auf ihren Meister gerichtet. Wie ein Wunder erschien ihnen die Rückkehr ihres Heiligen, seine Lehre hatte für sie die Kraft einer Lebensmacht. Romuald las aus seinem Traktat über die Schlacht gegen die Dämonen vor.
»Mein Buch enthält auch praktische Anweisungen«, sagte der Eremit plötzlich laut, ohne sich umzudrehen. »Kommt näher mit Eurer Begleiterin!« Beschämt traten Otto und Elana aus dem Schatten des Gebüsches und gingen zur Einsiedelei. Der Kaiser fiel auf die Knie, küsste Romualds Hände und Füße.
»Wenn Ihr gekommen seid, um mich ins Kloster nach Ravenna zurückzuzwingen, so war Eure Reise vergebens«, sagte der Eremit fest. »Der heilige Apollinaris selbst hat mir im Traum seinen Segen erteilt. Nichts auf der Welt wird mich wieder ins Kloster bringen.« Alle Jünger bestaunten ihn, niemand sagte ein Wort.
»Auch ich habe ein Traumgesicht gehabt, zweimal dasselbe«, brach Elana plötzlich die Stille. Romuald richtete seine glühenden Augen auf die junge Frau. Sie hielt die Hand vor den Mund und schaute verlegen zu Boden.
»Ihr seid rein wie die Lilie.« Beschwörend klang Romualds Stimme, zwang Elana, seinen Blick zu suchen.
»Folgt Eurem Traum, gründet ein neues Kloster.« Der Eremit beachtete ihren erstaunten Gesichtsausdruck nicht und wandte sich dem Kaiser zu. »Ihr habt genug gelitten an Eurer Härte dem abgesetzten Johannes Philagathos gegenüber. Pilgert zu Nilus nach Serperi! Als Sünder und Büßer. Dann setzt Eure Wallfahrt fort nach Monte Cassino und zur Kirche des heiligen Michael am Berg Garganus.«
Otto fühlte Blei von seiner Brust fallen. Neu geboren, euphorisch warf er sich vor dem Eremiten zu Boden. Romuald kümmerte sich nicht um die höfische Etikette. Er ließ den Herrscher liegen und wandte sich seinen Jüngern zu.
Die kaiserliche gute Laune überdauerte die Reise nach Süden. In Rom vergnügte Otto sich bis Jahresende mit der Einrichtung seiner Kaiserpfalz. Ladungen gallischer Teppiche, Stoffe und Draperien aus Byzanz wurden auf flachen Schiffen bis zur Brücke neben der Tiberinsel gefahren.
Für die erste Nacht in seinem Palast ließ der Kaiser heimlich Stephania zu sich führen. Die Tochter des Grafen von Sabina wusste, wer Roms Herr war. Nie widersetzte sie sich den kaiserlichen Wünschen. Der Sinnesrausch während jener ersten Stunde des tausendsten Jahres nach Christi Geburt war kurz, lang die schlaflose Nacht am Fenster.
Otto fühlte sich einsam. Er träumte von Zoe, der unbekannten byzantinischen Prinzessin, und von Gefühlen, die er nur aus den Erzählungen seines griechischen Höflings kannte. Alexius fehlte ihm. Mehrmals hatte der Kaiser Gerbert und Elana nach dem Verbleiben des jungen Missus befragt, aber niemand hatte von ihm gehört. Vielleicht ist er zu seinen Gütern in Sachsen gereist oder zu den Eltern nach Reims,
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