Das Siegel der Macht
er die Tür des Krankenzimmers hinter sich schloss, wandte er sich noch einmal um. »Einen jungen Mann, der so reich ist, dass ihn Eure Burg bestimmt nicht interessiert.«
Elana wurde dunkelrot und beugte sich umständlich über den Kaiser.
Die Nachricht von Ottos Krankheit erschütterte Papst Gregor, fast unerträglich stieg seine Spannung. Jeden Morgen besuchte er den Kaiser. Anschließend zog er sich in den Lateran zurück und verbrachte mehr Zeit im Sancta Sanctorum als in der Audienzhalle. Schon seit der Jahreswende fühlte der Papst sich unruhig, einzig im Gebet fand er Trost. Jetzt brachte auch das Zwiegespräch mit dem Herrn keine Erleichterung. In der Nacht plagten ihn wieder die Träume. Andere als damals, als er noch Brun von Wormsgau und Hofkapellan war. Die neuen Albträume waren Erinnerungen …
Immer dasselbe Bild, am feierlichen Hoftag von Quedlinburg. Der sechsjährige König Otto und er, der fünfzehnjährige königliche Vetter Brun. Mit ihnen Amizzo, jener junge Katechet, den er im Benediktiner-Kloster in Rom kennen gelernt hat. Nach der langwierigen Festkrönung entkommen sie ihren Betreuern und bummeln erlöst durch die Gassen. Auf der Suche nach Jugend und Zerstreuung. Spontan schließen sie sich einer Menschengruppe an, die singend aufs Land hinauszieht, einer abgelegenen Grotte entgegen, zu einem Prediger. Todkranke werden dem Heiligen gebracht. Unermüdlich badet der Eremit Reliquien in Wein und Balsam, gibt die Mischung den Sterbenden zu trinken. Einige stehen auf und sind durch ein Wunder wieder gesund. Plötzlich sieht der Prediger die drei vornehm gekleideten jungen Leute. Er schickt alle weg, auch den königlichen Knaben. Nur ihm, Brun von Wormsgau, und seinem Freund Amizzo prophezeit er die schreckliche Wahrheit.
30
Alexius trieb sein Gefolge unerbittlich nach Süden. Man schaltete nur die nötigen Ruhepausen für den Pferdewechsel ein und ritt von Sonnenaufgang bis zur Dunkelheit. Der Missus des Kaisers hatte unterwegs keine Lust auf Gesellschaft. Nur ein Wunsch beschäftigte sein Denken: Rom. Erinnerungen um Lucilla verschmolzen mit der Sehnsucht nach Elana. Einfach plaudern, problemlos zusammen sein, endlich die Jugend genießen. Alle anderen Gedanken verdrängen.
Am letzten Reisetag hetzte Alexius seine Panzerreiter schon vor dem Morgengrauen auf die Pferde. Dichte Wälder lagen vor ihnen, aber schon am Nachmittag würden die Türme Roms am Horizont auftauchen. Der Missus dachte an den Pinienhain auf dem Aventin, der auch Ende Januar intensiven Duft verströmte. Dort wollte er sein Quartier aufschlagen. Wenn der Kaiser schon die neue Pfalz bewohnte, würde er vielleicht dessen Palast oberhalb des Circus maximus übernehmen können. Spaziergänge mit Elana, ihr klingendes Lachen. Aber der Albtraum war unausweichlich. In Rom musste er auch dem Kaiser und Gerbert begegnen. Alexius hatte Angst davor. Woher würde er den Mut nehmen, Gerbert in die Augen zu schauen? Der Missus des Kaisers hütete ein gefährliches Geheimnis, das er auch seinem besten Freund nicht verraten durfte. Abbo hatte es ihm an seinem letzten Abend in Fleury anvertraut …
Nach wochenlangem Herumsitzen in der Klosterbibliothek an der Loire hatte Alexius jede Hoffnung aufgegeben. Er glaubte nicht mehr an eine Änderung seiner Situation. Offenbar hatte er mit seinen Anklagen die Wahrheit erraten. Aber wenn Abbo wirklich Herrscher der Äbte werden wollte, wie lange würde er für die Verwirklichung seiner Idee brauchen? Alexius war deprimiert und sah kein Ende ab. Er konnte sich nur fügen oder die Verdammung auf sich nehmen. Die Verdammung, ausgesprochen vom heiligen Vater des Reformmönchtums.
Manchmal lud Abbo ihn zu einem Abendessen ins Abthaus ein. Die Diskussionen verliefen eintönig. Abbo dozierte, und ein apathischer Alexius hörte mit halbem Ohr zu. Seit Gerold mit seinen beruhigenden Botschaften abgereist war, fühlte er sich noch hoffnungsloser. Niemand würde kommen, ihn aus seinem Versprechen herauszureißen.
An jenem Abend Ende November war es anders. Besorgt schob der Klostervorsteher seinem abgemagerten Gast Schüsseln mit Fisch und Trockengemüse zu. Als Alexius lustlos mit dem Messer in den Bohnen herumstocherte, brach der Abt plötzlich das Schweigen. »Ich kann das vor meinem Gewissen nicht mehr verantworten.« Abbos Stimme klang teilnahmsvoller als sonst, weckte Alexius aus der Mutlosigkeit. Gespannt folgte der Missus den Worten seines Kerkermeisters.
»Wenn ich Euch mein Wort gebe,
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