Das Siegel der Macht
keinen und will mir von niemandem befehlen lassen. Deshalb denke ich nicht daran, zu heiraten.«
»Eine unbehütete Frau allein …«
»Ich stehe unter dem Schutz des Kaisers, habe ihm sogar versprechen müssen, ohne sein Einverständnis niemals zu heiraten.«
»Also doch ein Vormund.«
»Nein, er hat dies nur zu meinem Schutz verfügt. Andernfalls könnte jeder Ritter der Umgebung auf die Idee kommen, mich gegen meinen Willen zu heiraten. Die Onkel haben versucht, mich zu einer Ehe zu zwingen. Wenn mein Vater und des Kaisers Vater nicht Freunde gewesen wären …« Elana nickte ihrem Gast freundlich zu. »Ja, auch mein Vater war eine Zeit lang Missus, wanderte mit dem Hof nach Süden.«
»So hält der Kaiser Euch die Verehrer fern.«
»Das nicht gerade. Im Gegenteil, ich werde bedrängt.«
»Verständlich, bei Eurer milchweißen Haut.«
»Wäre ich runzlig und hässlich, so müsste ich trotzdem aufpassen. Es geht den nobiles nicht um meine Person. Sie möchten meine Burg besitzen.«
»Und der Schutz des Kaisers …«
»… schreckt sie vor Gewaltaktionen ab.«
Alexius dachte an Lucilla, ihre freudige Hingabe. »Eine Frau muss doch heiraten wollen. Ich meine, die … Liebe …«
»Ich will mich nicht für ein Liebesversprechen unterjochen lassen. Außerdem habe ich zu viel zu tun. Ihr werdet es sehen, wenn wir morgen ausreiten. Der Wall wird mit Steinen verstärkt, die Textilienherstellung muss überwacht werden.«
Der verträumte Ausdruck des Gastes bremste Elanas Wortschwall. Plötzlich fühlte sie Erleichterung in sich aufsteigen, schickte einen Stoßseufzer zum Himmel. Mein verletzter Schützling aus Rom ist verheiratet! Die Burgherrin war sich selber dankbar, dass sie dem Kaiserboten nichts von ihrer geheimnisvollen Rolle bei seiner Rettung in der dunklen römischen Gasse erzählt hatte. Wie hätte sie ihm das Versteckspiel erklären sollen? Eine sanfte Röte überzog ihre Wangen. Alexius bemerkte es nicht, war immer noch in seine Träume versunken. Elana richtete ihren Blick auf seine leuchtenden Augen. »Ihr seid jung verheiratet, habe ich Recht?«
Alexius sagte nichts. Nein, dachte er, aber ich habe die Liebe kennen gelernt. Die Erinnerungen waren wieder da. Duft aus byzantinischen Essenzen, feste weiße Arme, Lucillas Brüste. In den tiefblauen Augen ihre Seele. Der Grieche blickte auf die Platte, beschäftigte sich intensiv mit dem zarten Braten und den Bohnen.
Elana war längst fertig. Als Hausherrin behielt sie das Messer in der Hand, um die Essenszeit ihres Gastes zu verlängern.
»Speist Ihr immer allein?« Alexius war verlegen, griff zum goldverzierten Weinbecher.
»Nein, meist habe ich Gäste. Mein Hofkapellan kommt fast immer. Außerdem Verwandte, Verehrer oder auch reisende Burgherren.« Elana stand auf und klatschte in die Hände.
Durch die Tür traten Musikanten mit Rohrpfeifen und Saiteninstrumenten. Sie bauten sich zwischen dem mehr als mannshohen Kamin und der Tafel auf. Zu lustigen rhythmischen Klängen purzelten drei Gaukler in den Burgsaal. Ihre Kostüme und auch die Kappen leuchteten rotgelb und waren mit vielen Glöcklein bestickt. Vor Elana und Alexius verbeugten sie sich so tief, dass ihre Köpfe fast den Boden berührten.
Als die Männer sich wieder aufrichteten und mit Bällen zu jonglieren begannen, lehnte Alexius sich entspannt an sein Rückenkissen. Er genoss das Schauspiel. Die Gaukler waren so geschickt, dass nie ein Ball zu Boden fiel. Dann endete das Spiel so plötzlich, wie es begonnen hatte.
Geschwind sammelte der älteste Künstler alle Kugeln ein und gab den Musikanten ein Zeichen. Sie hörten zu spielen auf. Aus einer mitgeführten Truhe zog der Gaukler ein Geweih hervor und hielt es sich auf den Kopf, während er mit der Stimme den Ruflaut des Hirsches nachahmte. Dann schrie er wie der Pfau, bellte wie der Hund, sang wie die Nachtigall.
Als der Tierstimmenkenner in die Reihe seiner Kumpane zurückgekehrt war, setzte das Flötenspiel wieder ein. Die Gaukler räumten mit einer galanten Verbeugung alle vergoldeten Becher von der Tafel und stellten sie nebeneinander auf.
»Darf ich um eine Münze bitten, Herr«, fragte einer und sah Alexius treuherzig an.
Der Kaiserbote kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Kaum war die Münze unter einen Becher geschoben, wurden die Kelche so rasch miteinander vertauscht, dass er den Bewegungen nicht zu folgen vermochte.
Der Zauberer verbeugte sich. »Wo ist Euer Silberstück, Herr?«
Alexius tippte drei Mal.
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