Das Siegel der Macht
im Fieber immer von Italien gesprochen«, wechselte die Kanonissin das Thema. »Mehrmals hast du geschworen, am Grab der heiligen Konstanze zu beten.«
»Gilt ein Fiebertraum als Gelübde?« Elana fühlte, wie sie rot wurde. Ihr Gesicht stand in Flammen. Seltsam, wie der Gedanke an Italien sie immer an Alexius erinnerte. Er war jetzt wieder im Süden, in Rom.
Beruhigend legte Sophia ihr die Hand auf den Arm. »Wenn du willst, kannst du es so auslegen«, lachte sie, wurde aber sofort wieder ernst. »Deine Heilung war wirklich ein Wunder, Elana. Komm, ich will dir helfen. Hier vor der Kanonissin wirst du dein Votum erneuern.« Als Elana zögerte, befahl die energische Sophia: »Los, knie nieder, gelobe dem Herrn und der heiligen Konstanze, nach Rom zu pilgern!«
Nur halb überzeugt fügte sich die Burgherrin. Jedenfalls wollte sie auf ein Zeichen des Himmels warten, um ganz sicher zu sein.
Es kam am Weihnachtstag. Ein todmüder Gerold klopfte an die Pforte von Gandersheim. Als er vor Elana stand, strahlte er und brach vor Erschöpfung zusammen.
Nach mehreren Stunden Schlaf erwachte der Hüne im klösterlichen Gästehaus. Der Duft heißen Bratens stieg ihm in die Nase. Elana stand ungeduldig neben seinem Lager und winkte zum Tisch. Als Gerold den schlimmsten Hunger gestillt hatte, sprudelte er seine Geschichte heraus. Er habe seine Herrin in der Fallsteinburg gesucht, dort den Weg nach Gandersheim gewiesen bekommen.
»Ja, aber was ist geschehen, weshalb bist du hier?«, unterbrach Elana seinen langwierigen Bericht.
Gerold warf einen verzweifelten Blick auf das besorgte Gesicht seiner Herrin. »Ich glaube, Alexius und Ricolf leben nicht mehr«, brachte er leise heraus.
Der Diener erzählte vom Besuch des Missus in der Engelsburg. »Im letzten Augenblick beschlossen Ricolf und ich, dass einer von uns beiden draußen bleiben sollte für den Notfall. Es kam genau so, wie wir befürchtet hatten. Ich wartete einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag. Die Gesandtschaft mit Alexius kam nicht mehr heraus.«
Allein wusste sich der Hüne nicht zu helfen. Also kehrte er in das Nachtquartier zurück, nahm alle Silbermünzen zu sich, die Alexius unter einem Kissen versteckt hatte, und ritt nordwärts. Dank häufiger Pferdewechsel schaffte er die Reise nach Sachsen in sechs Wochen.
Zwei Tage später war Elana startbereit. Sophia versuchte ihr die winterliche Reise auszureden, aber die Burgherrin schlug alle Warnungen in den Wind. Hodo erwies sich bei den Vorbereitungen als unersetzlicher Helfer.
Spontan bot er sich an, während ihrer Abwesenheit die Fallsteinburg und die Olseck zu verwalten. Elanas junge Leibeigene Johanna gelobte, Wendila wie ihr eigenes Kind aufzuziehen.
Seit Gandersheim hatte Elana jede freie Minute mit dem Neugeborenen verbracht. Sie trug Wendila in den Armen, sang ihr Melodien vor. Es war ganz anders als mit den übrigen Patenkindern. Der Burgherrin tat der Abschied weh, obwohl die ungeduldige Sorge sie südwärts drängte.
Als der Reisezug sich in Bewegung setzte, zählte Elana achtzehn Panzerreiter und einige Diener. Sie nahmen vor und hinter den Packpferden ihre Plätze ein. Außer der Burgherrin selbst waren keine anderen Frauen dabei. Elana wollte gerne auf den Luxus einer Dienerin verzichten, um rascher vorwärts zu kommen.
Im Gepäck führte sie goldenen Kirchenschmuck aus Essen mit, auch kostbare Stoffe und Edelmetalle zum Tauschen. Außerdem Nahrungsmittel für die ersten Reisetage.
Während Elana davonritt, musterte Hodo sie ungeniert. Sicher wie keine andere Frau saß die Burgherrin im Damensattel. Ihre feinen Schuhe aus Leder und Stoff steckten in den Steigbügeln. Sie trug eine Reisetunika aus gelbem Leinen und darüber ein schweres, mit Agraffen zusammengehaltenes Wolltuch. Ungebändigt quollen blonde Kraushaare darunter hervor.
»Werdet Ihr auf dem Pofluss nach Ravenna reisen?«, rief Hodo ihr nach.
Elana konzentrierte sich auf den Weg. »Nein«, sagte sie plötzlich bestimmt. »Nicht einmal in Pavia will ich Halt machen. Ein Zusammentreffen mit dem Kaiser würde mich zu viel Zeit kosten. Ich will auf dem schnellsten Weg nach Rom reisen.« Träumerisch fügte sie hinzu: »Eines Tages aber möchte ich Ravenna besuchen und in der Kirche eines lebenden Heiligen beten.« Mit Ehrfurcht dachte sie an das Waschwasser des Eremiten Romuald. Die Wahrsagerin hatte Recht gehabt. Nach genau vierzehn Tagen war in Gandersheim ihr Fieber gesunken.
Lange bevor die römischen Stadttürme von der
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