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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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Gesicht, nahm die Mütze ab und legte sie zum Mantel auf den Wagen. Man sah ihm den Höfling nicht an. Er trug trotz der winterlichen Kälte, die im Herbst 997 schon früh eingesetzt hatte, nur das Hemd und die Beinkleider.
    Mit der Hand kämmte der stämmige Sachse das rote Haar nach hinten. Dann ging er in die Knie und packte mit an, das Rad wieder am Karren zu befestigen. Während die Handwerker noch an der Arbeit waren, zog er einen gut verschlossenen kleinen Krug aus dem Gepäck im Krankenwagen. Er leerte Essig in eine Schüssel und schüttete Wasser dazu. Die darin eingetauchten Lappen band er fest um Elanas Füße. Darüber mehrere Schichten Wolltücher.
    »Das Einzige, was ich tun kann«, flüsterte er der im Fieber stöhnenden Elana zu. »Meine Amme hat mir immer Essigstrümpfe aufgelegt, wenn ich krank war.«
    Als der Reisezug bereit war, trat aus einer von Büschen verdeckten Hütte am Waldrand eine alte Frau. Breitbeinig baute sie sich vor ihnen auf.
    »Ich habe Euch beobachtet, Ihr habt eine Kranke im Wagen«, krächzte sie heiser. »Wenn Ihr mir Brot und Käse gebt, werde ich sie heilen.«
    Hodo war skeptisch und wollte sie wegschicken.
    »Wenn Ihr mich nicht zu ihr lasst, muss sie sterben. Ihr werdet ihren Tod um keine zehn Tage überleben.« Monoton leierte die Alte Heiligennamen vor sich her.
    »Nun gut«, gab Hodo nach und ließ die Heilerin keinen Augenblick aus den Augen.
    Sie zog einen kleinen Behälter aus der Tasche, wollte Elana eine Flüssigkeit zwischen die Lippen träufeln.
    »Trink zuerst selbst davon!«, befahl der Sachse misstrauisch.
    »Seid Ihr verrückt? Das Elixier wird noch viele Leben retten.«
    »So trink wenigstens einen Tropfen!«
    Vorsichtig hob sie das Krüglein an die Lippen und schlürfte davon.
    Hodo fragte neugierig: »Um welche Krankheit handelt es sich?«
    »Keine Ahnung«, gab die Alte zu. »Aber das ist unwichtig. Meine Medizin heilt alles. Ich bin im letzten Jahr mit einem Pilgerzug in die Lombardei gereist und sogar bis nach Ravenna gekommen. Dort habe ich dem heiligen Romuald die Knie geküsst.«
    »Und?« Hodo verstand überhaupt nichts mehr.
    »Aus Ravenna habe ich Waschwasser des Eremiten mitgenommen, eine heilende Medizin. Schaut, hier habe ich einen Apfel, von Romuald persönlich gesegnet.« Sie zog ein schmuddeliges Tuch aus dem Hemd und wickelte es auf. In der Mitte lag ein vertrocknetes Apfelstück. Mit ihren schwarzen Fingernägeln wollte sie einen Teil davon abtrennen.
    »Lass nur, das heilige Waschwasser reicht sicher«, sagte Hodo rasch und schob ihr als Belohnung Brot und Käse in die Hand.
    »In einem halben Mond wird sie gesund sein«, versprach die Heilerin, bevor sie wieder in ihrer Hütte verschwand.
    Wie durch einen Nebel sah Elana Gestalten hin und her schweben. Sie war zu schwach, um den Kopf aufzurichten, erneut versank sie in tiefe Nacht. Da waren die Schreie wieder. Diesmal so laut und anhaltend, dass sie plötzlich hellwach wurde. Ohne sich zu bewegen, ließ Elana die Augen kreisen.
    Sie war auf ein sauberes Lager gebettet in einem rechteckigen Saal mit ungewöhnlich großen Fensteröffnungen. Helle Tücher verdeckten die Sicht nach außen. In ihrer Nähe standen keine Betten. Die andere Saalhälfte allerdings war verstellt mit Pritschen und Laubsäcken. Kranke, Stöhnende, wo immer sie hinsah. Die Patientin unter dem mittleren Fenster schrie erneut aus Leibeskräften. Zwei Frauen beugten sich über sie.
    »Wir müssen dich wegbringen, das ist kein Ort für dich«, hörte Elana eine vertraute Stimme neben sich. Sie drehte sich um, flüsterte erstaunt: »Sophia, du … Ihr …«
    »Willkommen bei den Lebenden, Elana«, strahlte die Kanonissin und stand auf. »Wir sind immer noch Blutsschwestern, auch wenn mein Bruder jetzt Kaiser ist.«
    »Weshalb bin ich in Gandersheim?«
    »Später! Zuerst lasse ich dich hinaustragen.«
    Elana schüttelte den Kopf. »Ich bin wieder völlig gesund und kann zu Fuß gehen.« Sie drehte sich um. »Was hat die Frau da drüben?«
    »Keine Ahnung, weshalb man sie ins Stiftskrankenhaus gebracht hat. Die Frau bekommt nur ein Kind.«
    Elana begriff sofort, was los war. In den Ställen der Fallsteinburg hatte sie schon als kleines Mädchen Geburten beobachtet. Sie winkte die Hebamme herbei.
    Dankbar für die Pause nickte die verschmitzte Helferin und setzte sich. »Die Frau wird sterben«, flüsterte sie. »Kein Platz für das Kind, zu eng gebaut.«
    Die Hebamme dachte einen Augenblick nach und sagte dann

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