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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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interessierten ihn nicht. Seine Sorgen drehten sich um Lucilla. Er hatte sie in den letzten Tagen weder an der Porta Appia noch bei ihrem Vater gefunden. In der nach dem Einzug des Kaisers wieder eröffneten Schänke in der Nähe von Sankt Peter traf er ihren ratlosen Vater. Von ihm erfuhr er, dass Lucilla verschwunden war. Am Tag der kaiserlichen Belagerung der Stadt. Lucilla sei oft zur sächsischen Schule gegangen, sagte Wirt Michael. Um Neuigkeiten von Alexius zu erfahren.
    Die anklagenden Stimmen im Lateranpalast tönten monoton weiter. Alexius fühlte sich niedergeschlagen. Er dachte an die Engelsburg, an Crescentius Nomentanus. Von seinem Quartiermeister hatte er erfahren, dass während des kaiserlichen Einmarsches in Rom alle Bewohner der sächsischen Schule als Geiseln in die Engelsburg abgeführt worden waren. Eine innere Gewissheit sagte ihm, dass Lucilla bei ihnen war. Wenn sie nur nicht nach mir gesucht hätte, dachte er verzweifelt. Man hat sie bestimmt auf die Burg verschleppt. Vielleicht ist sie schon tot, oder die Römer haben sie misshandelt. Der junge Grieche wünschte sich sehnlichst das Ende des Prozesses herbei. So bald als möglich mussten Kaiser und Papst die Belagerung der Engelsburg vorbereiten.
    Alexius konzentrierte sich und schaute nach vorn. In vollem päpstlichem Ornat saß Johannes Philagathos ein letztes Mal vor der kirchlichen Versammlung. Blutspuren zeichneten sein Gesicht, ein Pflaster bedeckte die Nase. Der Angeklagte schämte sich und fixierte seine verstümmelte Hand.
    Die Stimmung im Saal war feierlich. Zahlreiche Leuchter und Kerzen nahmen dem Marmorboden die Kälte. Gespannt folgten die Priester und Prälaten der Litanei. Papst Gregor schaute von einem zum andern, konnte seinen Triumph nicht verbergen. Endlich setzten sich die Ankläger, der Schuldspruch wurde verlesen.
    »De sede pads pacem turbasti …« Stolz richtete sich der Synodensprecher zu seiner vollen Größe auf, trat zum Usurpator und stieß ihn vom Thron. Eine um die andere wurden dem abgesetzten Pontifex die päpstlichen Insignien und Gewänder vom Leib gerissen. Papst Gregor nickte dem Kommandanten zu. Bewaffnete Männer ergriffen den am Boden liegenden Johannes Philagathos und führten ihn aus dem Palast ins Freie, seinem Gefängnis entgegen.
    Während der Synode hatte sich der Mob auf der Straße gefährlich zusammengerottet. Das war so Brauch in Rom. Wenn ein Papst im Lateran vom Thron gestoßen wurde, wollte auch das Volk sein Schauspiel haben. Der Kommandant aus dem Norden kannte die römischen Sitten nicht und wurde überrumpelt. Bedrohlich schoben sich Gruppen junger Männer zwischen die Soldaten. Gegen die unzähligen Arme kamen die Lanzen nicht an. Die Krieger wurden zur Seite gedrängt, Johannes Philagathos von seinen Bewachern getrennt. Unbekannte kalte Augen erfreuten sich mitleidlos an dem Spektakel. Man bespuckte den im Vorjahr jubelnd durch die Stadt geleiteten Papst, kniff und schlug ihn. Entschlossen drängten sich vier Burschen mit einem Esel durch die Menge. Der abgesetzte Kirchenfürst wurde rücklings auf den grauen Tierrücken gesetzt, der Schwanz in seine verstümmelte Hand gedrückt. Auf seinem letzten Ritt durch die menschenumsäumten Straßen Roms wirkte Johannes Philagathos wie ein Haufen Elend.
    Am Abend nach der Papstentsetzung begleitete Alexius seinen Freund aus Reims. Der Gang zur Basilika von Sankt Paul vor den Mauern wog Gerbert schwer wie Blei. Niemand konnte ihm das Gewicht von den Schultern nehmen. Trotzdem hatte er Alexius mitgenommen. Der Missus brauchte Zerstreuung, musste die Engelsburg für einige Momente aus seinem Bewusstsein verdrängen. Gerberts Idee hatte Erfolg. Die tiefen Eindrücke dieses Abends sollte Alexius nie mehr vergessen.
    Es war der dritte Apriltag des Jahres 998. In der Nähe der größten Basilika der Christenheit lag ihr Ziel. Das Kloster Sankt Anastasio, gegenwärtig Quartier des 99-jährigen Mönchs Nilus von Serperi.
    »Ausgerechnet durch mich möchten Papst und Kaiser Nilus umstimmen.« Gerberts Stimme war leise, sanft wie immer. Alexius ging dicht neben ihm. Sie hatten ihre Pferde vor der Klostermauer angebunden und durchschritten den Vorhof bis zu den stillen Arkaden. Intensiver, süßlicher Blütenduft umfing sie. Im Abendlicht strahlte der Garten gespensterhafte Schönheit aus. »Alexius, was habe ich mit ihrem Gewissen zu schaffen?«
    »Nicht Otto oder Gregor sind schuld, der Pöbel hat Johannes Philagathos rücklings auf den Esel

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