Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Nebelland, weil sie kein Englisch sprach und wir immer vergaßen, ihr das Kauderwelsch, in dem wir uns daheim verständigten, zu übersetzen. Da sie die Wörter nicht verstand, beobachtete sie die Gesten. Als ein Jahr später das Drama um Celia seinen Lauf nahm, war sie die erste, die etwas ahnte, weil sie Signale bemerkte, die uns anderen verborgen blieben. Sie nahm nie Medikamente außer ein paar mysteriösen grünen Pillen, die sie schluckte, wenn ihr der Ton ringsum zu rauh wurde. Daß du fort warst, Paula, konnte sie nicht ignorieren, aber sie tat, als wärst du auf Reisen, und redete von dir im Futur, als würde sie dich morgen wiedersehen. Ihre Geduld gegenüber meinen Enkeln war unerschöpflich, und obwohl sie nur fünfundvierzig Kilo wog und schmal wie ein Täubchen war, trug sie Nicole ständig auf dem Arm. Wir fürchteten, meine jüngste Enkeltochter,werde ihr fünfzehntes Lebensjahr erreichen, ohne laufen zu lernen.
    »Kopf hoch, Schwiegermama! Was dir fehlt, damit dich die Muse küßt, ist ein Joint«, riet mir Celia, die nie Marihuana geraucht hatte, aber vor Neugier verging.
    »Das macht bloß den Kopf dumpf und hilft der Muse nicht auf die Sprünge«, meinte Tabra, die derlei Experimente lange hinter sich hatte.
    »Warum probieren wir es nicht aus?« schlug Großmutter Hilda vor, um diese Frage ein für allemal zu klären.
    So landeten wir Frauen der Familie also zum Marihuanarauchen bei Tabra, nachdem wir zu Hause verkündet hatten, wir träfen uns zu einem spirituellen Retreat.
    Der Abend nahm keinen guten Anfang, weil Großmutter Hilda sich von Tabra Ohrlöcher stechen lassen wollte und der eiserne Tacker sich, an Hildas Ohrläppchen hängend, verklemmte. Als Tabra das Blut sah, wurden ihre Knie weich, aber Großmutter Hilda verlor nicht die Contenance. Sie hielt den Apparat, der ein gutes Pfund wog, an ihrem Ohr fest, bis Nico eine halbe Stunde später mit seinem Werkzeugkoffer kam, den Mechanismus auseinanderschraubte und sie befreite. Das blutige Ohr war auf doppelte Größe angeschwollen. »Jetzt das andere«, bat Großmutter Hilda Tabra. Nico blieb, um das Gerät ein zweites Mal auseinanderzunehmen, und zog sich dann aus Respekt vor unserem »Retreat« zurück.
    Während Tabra ihr die Ohren malträtierte, wurde Großmutter Hilda mehrmals von Tabras Brüsten gestreift und schielte aus den Augenwinkeln zu ihnen hin, bis sie es nicht mehr aushielt und Tabra fragte, was sie da drin habe. Meine Freundin spricht Spanisch und erklärte ihr, sie seien aus Silikon. Sie erzählte, als junge Lehrerin in Costa Rica habe sie einmal wegen eines Hautausschlags am Arm zum Arzt gehen müssen. Der habe sie aufgefordert, sich obenherumfrei zu machen, und obwohl sie ihm erklärte, das Problem sei lokal begrenzt, weiter darauf bestanden. Sie machte sich obenherum frei. »Mädchen, du bist ja flach wie ein Brett!« rief er da. Tabra mußte ihm recht geben, worauf er ihr einen Vorschlag unterbreitete, der ihnen beiden zugute kommen sollte. »Ich möchte mich in Schönheitschirurgie spezialisieren, habe aber noch keine Kunden. Was hältst du davon, wenn ich an dir übe? Du kriegst die Operation umsonst, und ich mache dir ein Paar großartige Titten.« Ein derart generöses, obendrein so feinfühlig unterbreitetes Angebot konnte Tabra nicht ausschlagen. Auch wagte sie nicht abzulehnen, als er ein gewisses Interesse daran bekundete, mit ihr ins Bett zu gehen, eine Ehre, die angeblich nur wenigen seiner Patientinnen zuteil wurde, verwahrte sich allerdings dagegen, als er das Angebot auf ihre damals fünfzehnjährige Schwester ausweiten wollte. So war Tabra zu diesen marmorharten Ersatzkörperteilen gekommen.
    »Ich habe noch nie so feste Brüste gesehen«, meinte Großmutter Hilda.
    Celia und ich faßten sie ebenfalls an, und dann wollten wir sie sehen. Zweifellos waren sie ungewöhnlich, erinnerten an Bälle für American Football.
    »Wie lange schleppst du die schon mit dir rum, Tabra?« wollte ich wissen.
    »An die zwanzig Jahre.«
    »Du solltest sie mal untersuchen lassen, mir kommt das nicht normal vor.«
    »Gefallen sie dir nicht?«
    Wir anderen zogen unsere Blusen aus, damit sie vergleichen konnte. Auf den Seiten eines Erotikmagazin hätte man unsere auch nicht ausgebreitet, aber wenigstens gaben sie, wie von der Natur vorgesehen, beim Anfassen nach und hatten nicht wie Tabras zwei die Konsistenz von LKW-Reifen. Meine Freundin willigte ein, mit uns zu einem Spezialisten zu gehen, und kurze Zeit später nahm in

Weitere Kostenlose Bücher