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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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dachtenan das, was du uns im Leben geschenkt hattest und uns weiterhin schenktest: an die Geburt von Sabrina und Nicole, an die Aufnahme der beiden Mütter Fu und Grace und auch an die von Sally in unsere Sippe. In der Mitte des Altars, den wir mit deinen Fotos und mit Erinnerungsstücken zusammengestellt hatten, brannte eine schlichte weiße Kerze mit einem Loch auf halber Höhe.
    Drei Tage nach deinem Tod hatte ich mich mit den Schwestern vom immerwährenden Durcheinander bei einer von ihnen getroffen, und wie jeden Dienstag hatten wir rund um sechs neue Kerzen gesessen. Ich krümmte mich unter dem Schmerz deines Fortgangs. »Es fühlt sich an, als verzehrte mich eine Flamme von innen«, sagte ich zu den anderen. Wir nahmen uns an der Hand, schlossen die Augen, und meine Freundinnen sandten mir ihre Zuneigung und ihre guten Wünsche, um mir die Last dieser Tage zu erleichtern. Ich wünschte mir so sehr ein Zeichen, einen Hinweis, daß du nicht für immer ins Nichts verschwunden warst, daß dein Geist an einem anderen Ort fortlebte. Plötzlich hörte ich Jean sagen: »Sieh mal, Isabel, deine Kerze.« Aus meiner Kerze leckte eine zweite Flamme. »Eine Flamme im Innern«, sagte Jean noch. Wir warteten. Die Flamme schmolz das Wachs und fraß auf halber Höhe ein Loch durch die Kerze, die aber brach nicht entzwei. So unerklärlich wie die Flamme entstanden war, erlosch sie wenig später wieder. Da stand die Kerze, mit einem Loch in der Mitte, aber aufrecht, und mir schien sie das erhoffte Zeichen, als hättest du mir aus einem anderen Sein zugezwinkert: Der brennende Schmerz über deinen Tod würde mich nicht brechen. Später sah Nico sich die Kerze an und fand keine Erklärung für die sonderbare Flamme in der Mitte; vielleicht war die Kerze fehlerhaft, besaß einen zweiten Docht, der durch einen Funken Feuer gefangen hatte. »Wieso willst du eine Erklärung, Mama? Hier zählt doch nur die Möglichkeit. Du hast das gewünschte Zeichen bekommen, das genügt«,sagte Nico, wohl um mir eine Freude zu machen, schließlich weiß ich um seine gesunde Skepsis und glaube kaum, daß er ein Wunder in Betracht zog.
    Fu sagte, unsere Gedanken stiegen mit dem Rauch der Räucherstäbchen in die Höhe; das Licht der Kerzen stehe für Erkenntnis, Klarheit und Leben; die Blumen symbolisierten Schönheit und Beständigkeit, denn wenn sie auch selbst verblühten, so hinterließen sie doch die Saat für weitere Blumen, genau wie wir selbst in den Enkeln keimten. Jeder von uns teilte mit den anderen eine Empfindung oder eine Erinnerung an dich. Celia, die als letzte sprach, sagte: »Paula, denk an deinen Neffen und deine beiden Nichten, auf die du gut aufpassen mußt, weil sie vielleicht auch Porphyrie haben. Denk daran, über Sabrina zu wachen, damit sie ein langes und glückliches Leben führen kann. Und vergiß nicht, daß Ernesto wieder heiraten muß, also gib dir einen Ruck, und treib eine Frau für ihn auf.«
    Zum Schluß mischten wir ein wenig von deiner Asche, die ich zurückbehalten hatte, mit Erde und pflanzten in einen Topf ein Bäumchen, das einen Platz in unserem Garten oder in deinem Wald finden sollte, sobald seine Wurzeln kräftig genug wären.
    Später am Abend kamen auch Cheri Forrester, unsere verständnisvolle Ärztin, und der weise Miki Shima zu Besuch, der Tage zuvor das I Ging für mich geworfen hatte, wobei herausgekommen war: »Die Frau hat das wüste Land geduldig hinter sich gelassen, barfuß durchquert sie voller Entschlossenheit den Fluß, aus der Ferne kann sie auf Beistand hoffen, doch hat sie keine Gefährten, allein wird sie auf dem Paß der Sphären gehen müssen.« Mir schien das sonnenklar. Doktor Shima sagte, er habe eine Botschaft von dir: »Paula geht es gut, sie entfernt sich auf ihrem geistigen Weg, doch paßt sie auf uns auf und ist bei uns. Sie sagt, wir sollen nicht mehr um sie weinen, sie will uns fröhlich sehen.« Nico und Willie warfen einander einen vielsagendenBlick zu, sie glauben dem guten Mann nicht recht, weil er angeblich nichts von dem beweisen kann, was er behauptet, aber ich zweifelte nicht daran, daß es deine Stimme war, die zu uns sprach, denn sie klang fast genau wie in deinem Vermächtnis: »Bitte seid nicht traurig. Ich bleibe bei Euch allen, aber näher als vorher. Noch eine Weile, dann werden wir uns im Geiste vereinen, aber so lange bleiben wir zusammen, während Ihr Euch an mich erinnert. Denkt dran, wir Geister können besser denen helfen, sie begleiten und beschützen,

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