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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ging mit Alejandro einmal mehr in Tarzan .
    Nico war sehr schweigsam geworden und hatte eine neue Härte im Blick. Der Zorn hatte ihn verschlossen gemacht wie eine Auster, er redete mit niemandem über das, was er empfand. Er war nicht der einzige, der litt, jeder hatte sein Teil abbekommen, aber er und Jason waren verlassenworden. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß niemand aus Bosheit gehandelt hatte, wir waren in einen dieser Stürme geraten, die einem das Ruder aus der Hand schlagen. Was ist hinter geschlossenen Türen zwischen Celia und ihm vorgefallen? Welche Rolle hat Sally gespielt? Umsonst habe ich es ihm zu entlocken versucht, immer antwortet er mir mit einem Kuß auf die Stirn und irgendeiner Belanglosigkeit, um mich auf andere Gedanken zu bringen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß ich es in meiner Todesstunde erfahren werde, wenn er es nicht wagen wird, seiner sterbenden Mutter den letzten Wunsch abzuschlagen. Nicos Leben bestand nur noch aus seiner Arbeit und den Kindern. Er war nie sehr kontaktfreudig gewesen, Bekanntschaften hatte er über Celia geschlossen und sie von sich aus nicht gepflegt. Er igelte sich ein.
    Damals ließen wir unsere Fenster von einem Psychotherapeuten putzen, der wie ein Filmschauspieler aussah, gern Schriftsteller gewesen wäre und mehr damit verdiente, bei anderen Leuten Fenster zu putzen, als sich die lästigen Klagen seiner Patienten anzuhören. Eigentlich putzte nicht er die Fenster, sondern eine oder zwei prächtige Holländerinnen erledigten das, jedesmal andere, von ihm weiß der Himmel wo aufgegabelt, von der kalifornischen Sonne gebräunt, mit platinblonden Mähnen und knappen Shorts. Mit Lappen und Eimern bewaffnet, erklommen die Schönheiten die Leiter, während er sich zu mir in die Küche setzte, um mir die Handlung seines nächsten Romans zu erzählen. Mich machte das wütend, nicht nur wegen der blonden Dummchen, die schufteten, und er kassierte dafür, sondern auch, weil dieser Mann nicht einmal der müde Abklatsch von Nico war, aber beliebig viele Frauen haben konnte. Ich fragte ihn, wie er das anstellte, und er meinte: »Ich leihe ihnen mein Ohr, sie haben es gern, wenn man ihnen zuhört.« Ich gab die Information an Nico weiter. Trotz seiner Überheblichkeit war der Psychotherapeut immer noch besser alsder Althippie, der unsere Fenster vorher geputzt hatte und ehe er eine Tasse Tee annahm, die Kanne akribisch nach Spuren von Blei absuchte, immer im Flüsterton sprach und einmal geschlagene fünfzehn Minuten versuchte, ein Insekt unbeschadet von einer Scheibe zu pflücken. Um ein Haar wäre er von der Leiter gefallen, als ich ihm eine Fliegenklatsche anbot.
    Ich hing an Nico, und wir sahen uns fast täglich, aber er war zu einem Fremden für mich geworden, mehr und mehr zurückgezogen und distanziert, auch wenn er weiter untadelig höflich blieb. Diese Wohlerzogenheit begann mir bereits lästig zu werden, mir wäre es lieber gewesen, wir hätten einander die Augen ausgekratzt. Nach zwei oder drei Monaten hielt ich es nicht mehr aus und entschied, daß wir um eine Aussprache nicht länger herumkamen. Wir geraten sehr selten aneinander, teils weil wir unsere Gefühle nicht kundtun müssen, um uns gut zu verstehen, und teils weil uns Streit nicht liegt und wir keine Übung darin haben. In den fünfundzwanzig Jahre meiner ersten Ehe hat nie jemand die Stimme erhoben, meine Kinder sind in einer absurden britischen Kultiviertheit aufgewachsen. Außerdem meinen wir es gut miteinander und gehen davon aus, daß Kränkungen nur durch Fehler oder Unterlassung entstehen und nie, weil wir einander absichtlich verletzen wollen. Zum erstenmal erpreßte ich meinen Sohn, erinnerte ihn mit brüchiger Stimme daran, daß ich ihn bedingungslos liebte und was ich alles für ihn und seine Kinder getan hatte, seit sie auf der Welt waren, warf ihm vor, daß er sich entfernte und mich abwies … kurz: eine pathetische Ansprache. Allerdings mußte ich zugeben, daß er mir immer ein wunderbarer Sohn gewesen ist, sieht man von diesem einen Mal mit zwölf ab, als er sich den schlechten Scherz erlaubte, sich zu erhängen. Du wirst dich erinnern, dein Bruder baumelte mit hängender Zunge und einem dicken Strick um den Hals im Türrahmen, und weil ich erst den Sitzgurt nicht sah, derihn hielt, wäre mir fast das Herz stehengeblieben. Das werde ich ihm niemals verzeihen! »Warum sagen wir nicht, was Sache ist?« fragte er freundlich, nachdem er mir eine geraume Weile zugehört

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