Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
Kälte macht ihnen auch zu schaffen …“ Wieder brach seine Stimme, ehe
er Luft holte und fort fuhr. „… Am frühen Morgen haben wir dann zwei von ihnen
verloren. Meine Frau sitzt noch immer an ihren Betten“, flüsterte er in die
Stille hinein und wich ihren Blicken bewusst aus.
Serena
fiel es schwer zu atmen. Sie wandte sich abrupt von Hermokrates ab und lief ein
paar Schritte, doch das unangenehme Gefühl in ihrer Brust wurde nur stärker und
konnte auch nicht von der Gewissheit besänftigt werden, dass Arkios sie in Ruhe
zu lassen schien.
Als
sie sich wieder zu ihm umdrehte, sah sie seine wehleidigen Blicke, seine
Verzweiflung, seine Angst. Der Spiegel seiner Seele war voller Emotionen, die
ihn schwächlich wirken ließen, anders als sie ihn in Erinnerung hatte.
„Ich
werde bleiben und euch helfen!“, flüsterte sie dann leise als sie wieder auf
ihn zu kam und gedankenversunken umherblickte. Nachgedacht hatte sie über diese
Entscheidung nicht, sie hielt es auch nicht für nötig. Es war eine Selbstverständlichkeit
und kein Gott des Olymps würde sie davon abbringen können, doch Hermokrates
schüttelte hektisch den Kopf.
„Du
kannst uns nicht helfen Serena!“
„Aber
…“
„Nein!
Du hast die Chance auf ein neues Leben bekommen. Sieh dich doch an, du siehst
aus wie deine Mutter und hast den Mut deines Vaters. Du hast so eine unglaubliche
Entwicklung durchgemacht. Egal wo du die ganze Zeit warst, ich weiß, dass das
deine neue Heimat ist, in der du ein viel besseres Leben führen kannst als hier
im Dreck. So eine Gelegenheit bekommen nur die wenigsten, also nutze sie
Serena!“ Bei seinen eindringlichen Worten musste sie die Luft anhalten. Er
meinte es nur gut, das wusste sie, dennoch zerstörte es irgendetwas tief in
ihrem Inneren.
Hermokrates
kam zögernd auf sie zu und zog sie an sich. Sie sträubte sich und blieb stocksteif,
doch er schaffte es schließlich, sie in seine Arme zu zerren und sie fest an
sich zu drücken.
Keiner
sagte ein Wort, denn sie wussten, dass es nur diesen einen Moment zerstören
würde, den sie nie wiedererleben würden.
Als
sie seine warme Haut an ihrer spürte, wurde ihr erst richtig bewusst, dass
Hermokrates wollte, dass sie ihr eigenes Leben weit weg von ihm und Lisias
führen sollte, in Sicherheit vor Arkios und seinen Schergen. Weit weg von
diesem Ort, an dem der Tod hinter jeder Ecke lauern konnte und an dem fast
keine Woche verging, in der es keinen weiteren Toten zu beklagen gab. Oftmals
traf es die obdachlosen verwahrlosten Waisenkinder, die an Unterkühlung oder
Krankheiten starben. Auch Hungerleiden war kein seltener Todesfall in solch
einer riesigen Polis, doch in den letzten Wochen schienen Lungenerkrankungen
als Folge einer Erkältung doch zu überwiegen.
„Du
hast dich die ganze Zeit um die anderen gekümmert, doch nun bist du an der
Reihe Serena. Du musst dich endlich um dich selbst sorgen. Ich bin alt
und verbraucht, aber du bist noch jung und hast dein ganzes Leben vor dir.
Nutze die Chance, die dir die Götter gegeben haben und vergiss endlich!“
Stumm
blickte sie in seine dunklen Augen und atmete tief durch, doch noch ehe sie ein
Wort an ihn richten konnte, hörte sie Stimmen, die durch die Gassen zu ihnen
herüber hallten und langsam näher kamen.
„Das
sind Wachpatrouillen, wenn sie dich erwischen, dann werden sie dich köpfen
Serena! Du musst verschwinden, schnell!“, flüsterte Hermokrates leise und
drückte sie noch ein letztes Mal an sich.
Für
die junge Halbgöttin ging ein Alptraum in Erfüllung. Um die letzten Menschen,
die ihr was bedeuteten, zu schützen, musste sie sie im Stich lassen. Es
wiedersprach ihrem Grundsatz, doch sie hatte keine Wahl, das musste sie
einsehen.
Wiederwillig
riss sie sich von ihm los und trat einige Schritte zurück. Ihr Gesicht war
errötet, doch sie weinte nicht, sie wollte es nicht.
Mit
zittrigen Worten des Abschiedes, die leise über ihre Lippen huschten, entfernte
sie sich dann von dem Mann, dem sie als Einziger all die Jahre vertraut hatte
und floh in die Dunkelheit mit der sicheren Gewissheit, dass sie weder ihn noch
Lisias je wiedersehen würde.
Hermokrates
stand noch einen Moment an der offenen Tür und sah ihr nach, bis ihre
Silhouette von der Nacht verschlungen wurde. Auch ihm dämmerte nun langsam,
dass er das kleine Mädchen von damals nie wiedersehen würde und wischte sich
eine einzelne Träne weg, die sich den Weg über seine Wange gesucht hatte und
aus seiner Seele
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