Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
anderen etwas
vorzuspielen, sich in eine Rolle zu versetzen, doch jetzt, wo sie bewusst dem
personifizierten Tod gegenüberstand, dessen bloße Berührung reichen könnte, ihr
Herz zum Stillstand zu bringen, fiel es ihr schwer, sich auf das zu
konzentrieren was sie tat.
„Sie streiten sich um die ihnen zugeteilten Gebiete
wie kleine Kinder um eine Schaufel im Sandkasten“, lächelte er nun und stützte
sich mit seinen Händen auf die Balustrade, nur einen Meter von ihr entfernt,
was Serena nicht gut hieß. Selbst aus dieser Entfernung spürte sie die bittere
Kälte seiner Gegenwart.
Sie zog ihre Arme eng an ihren Körper und wandte
ihre Blicke wieder von ihm ab. Die junge Halbgöttin durfte ihm keinen Anlass
geben, sich ihr zu nähern. Sie wollte ihn auf Abstand halten, doch Serenas
Abneigung schien ihm nicht einmal aufzufallen. Seine leeren grauen Augen wurden
zu verträumten Schlitzen, die zum Mond hinauf sahen.
„Wie ist es so am Olymp, im Vergleich zu der Welt
der Sterblichen?“
„ Es ist anders …“, erwiderte sie schroff und sah
sich erneut suchend um, doch noch immer schien niemand bemerkt zu haben, dass
sie mit ihm alleine war – Ironie des Schicksals.
Seit
ihrer Ankunft stand sie ständig unter Beobachtung und nun, da sie Hilfe
brauchte und auf die Gunst der Götter hoffte, wurde sie alleine gelassen.
„Ist
es nicht seltsam, bei solch schwachen Wesen aufzuwachsen und sich immer darüber
bewusst zu sein, dass man anders ist?“ Thanatos wandte sich zu ihr um und ging
einen Schritt nach vorne, sodass Serena sich gezwungen sah, erneut zurückzuweichen.
Sie blickte kurz zu ihm auf, sah sein fragendes Gesicht und begriff, dass ihr
Verhalten verdächtig wirkte, doch sie wollte nicht, dass er ihr zu nahe kam,
dass er sie berührte, dann wäre alles aus.
Seine
grauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und zeugten von seinen
Zweifeln.
Wieder
kam er ihr näher, überquerte die magische Grenze, die sie ihm gesetzt hatte und
durchdrang ihren Schutzwall.
„Ich
will euch ja nicht zu nahe treten, aber ihr …“
„SERENA!“, durchbrach eine zornige
Stimme plötzlich die des nachdenklichen Gottes.
Er
wich einen Schritt zurück und drehte sich um. Serena tat es ihm mit zitterndem
Atem gleich und verschränkte ehrfürchtig ihre Arme vor ihrem Bauch.
Helios
stand mit ernster Miene nicht weit von ihnen entfernt. Noch nie war sie so froh,
den Sonnengott in ihrer Nähe zu wissen, doch angesichts seines finsteren
Gemüts, schwand jegliche Freude gleich wieder dahin.
„Serena,
dein Vater sucht dich …“
„Aber
…“, fiel sie ihm ins Wort und versuchte den erzürnten Gott zu besänftigen und
die Situation klarzustellen.
„GEH
REIN!“, fauchte er sichtlich gereizt und ließ Serenas erklärende Worte in
seiner polternden Stimme untergehen. Seine Blicke wurden giftig. Die Halbgöttin
wiedersprach nicht mehr. Sie zuckte unter seinem harten Tonfall zusammen und
lief, ohne dem Sonnengott oder Thanatos eines weiteren Blickes zu würdigen, in
den Olymp zurück. Kaum drinnen angelangt, wurde sie von Athene abgefangen und
mit Hilfe von Poseidon in eine dunkle Ecke gezogen.
„Serena,
ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von ihnen fern halten!“
„Ich
… es … er stand auf einmal da … und hat auf mich eingeredet …“, versuchte
Serena sich aus der Affäre zu reden und erzitterte unter dem herrischen Ton
ihrer Schwester. Auch Poseidons Blicke waren mehr wütend als besorgt.
„Du
kannst von Glück sagen, dass Helios ein offenes Auge hatte!“
Die
junge Halbgöttin verdrehte genervt ihre Augen und sah zur Seite. Sie war ein
Dickkopf, ganz ohne Zweifel und mochte es gar nicht, dass man ihr vorschrieb,
wem sie dankbar sein sollte, vor allem dann nicht, wenn sie aus ihrer Sicht
völlig unschuldig war und es keinen Anlass gab, für die schroffe Anweisung des
Sonnengottes dankbar zu sein.
„Wenn
sie rausfinden, dass mit dir etwas nicht stimmt … dann bist du hier nicht mehr
sicher, hörst du? Halte dich von ihnen fern und vor allem von diesem Gott!“,
zischte Athene und deutete nach draußen um nicht dessen Namen nennen zu müssen.
Serena
holte Luft, doch noch ehe sie antworten und sich verteidigen konnte, kam Helios
zurück und gesellte sich zu ihnen. Eine beklemmende Stille trat somit ein. Alle
sahen ihn erwartungsvoll an, als hofften sie auf eine Rede seiner Heldentat, nur
Serena nicht.
Sie
wich seinen Blicken aus und schaute zu Boden, doch selbst aus dem Seitenwinkel
erkannte sie,
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