Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
fielen, eine Rede hielt.
Das
Wetter war genauso düster wie die Stimmung. Dicke graue Wolken hatten den
Athenern den ganzen Tag das Sonnenlicht verwehrt. Einige kleine Niederschläge
unterstrichen die trostlose Atmosphäre. Es war, als hätten die Götter in diesem
Moment mit ihnen getrauert.
Hermokrates
sah die Betroffenheit in den Gesichtern der Menschen.
Wie
konnten sie so etwas nicht mitbekommen? Sie hätten die Schreie hören oder
wenigstens das Feuer sehen müssen, doch nichts.
Es
geschah direkt hinter den Mauern der schützenden Polis und trotzdem hatten sie
nichts von alle dem mitbekommen, als wäre nichts passiert. Umso größer war der
Schock nun, als der Mann im seidenen Gewand von dem vergangenen Ereignis
berichtete, in all seinen grausamen und tragischen Einzelheiten. Nur die kleine
Serena, die mit gefalteten Händen und zu Boden gerichteten Blicken seiner
Stimme lauschte, schien völlig abwesend und kein Gefühl der Trauer an sich heranlassen
zu wollen. Das schwarze Haarband, das ihre Mutter ihr geschenkt hatte, zierte
ihre schönen braunen langen Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden waren.
Voller Erhabenheit stand sie da mit einer Selbstdisziplin, die niemals in
Vergessenheit geraten würde. Sie schirmte sich ab. Vielleicht war das ihre Art,
damit fertig zu werden.
Was
dann geschah, würde jedoch weder Hermokrates, noch einer der Bewohner jemals
verstehen. Zum Schluss der Rede, als der heilige Gong der Stätte von Athen
geschlagen und somit verkündet wurde, dass die Verstorbenen nun endlich Frieden
finden sollten und ihre Seelen bereit waren zu vergeben und hinüber zu gehen,
geschah etwas mit dem kleinen in sich gekehrten Mädchen, was ihm bis heute alle
Haare zu Berge stehen ließ.
Er
erinnerte sich noch ganz genau, wie das emotionslose Gesicht entgleiste, wie
ihre einst warmen strahlenden Augen nur noch bittere Kälte verströmten und ihr
Körper in heftigen Stößen zu zittern begann. Ein grauenhafter Anblick, wie er
damals empfand. Sie schien mit sich selbst zu kämpfen. Ein Kampf, den sie weder
verlieren noch gewinnen konnte. All das, was sie die vergangenen Tage in sich
gefangen hielt, in ihrem Herzen verschloss und nicht nach außen lassen wollte,
überkam sie nun wie ein Heer kampfeswilliger Krieger.
Einzelne
Tränen liefen über ihre zarten rosafarbenen Wangen und tropften schließlich an
ihrem Kinn zu Boden. Er wusste noch, wie erleichtert er in diesem Moment war,
dass sie sich endlich öffnete und ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Sie war noch
so jung und schien trotzdem innerlich längst tot.
Gefühlskalt ,
schoss es ihm erneut durch den Kopf, als er sich bei diesem Gedanken unwohl
über die Arme strich.
Einige
Bewohner glaubten sogar, sie sei von einem Dämon besessen, denn für das was sie
dann tat, hatte auch er bis heute keine Erklärung. Aus dem unscheinbaren
Mädchen wurde binnen weniger Augenblicke eine rasende Furie. Ein
markerschütternder, ohrenbetäubender Schrei drang aus ihrer Kehle, als sie sich
auf den Priester stürzte. Ihre Haut - blass wie die einer Toten. In ihren Augen
- das unheimliche Funkeln eines tobenden Feuers, beteuerte dieser, als sie ihn
niederstieß und auf ihn einschlug. Zwei der stärksten Athener Wachen waren
nötig um sie wieder zu bändigen. Zwei , für ein einfaches kleines
Mädchen, das den Tod ihrer Eltern nicht verkraftete. Sie versuchten nicht
einmal, sie zu verstehen.
„Völlig
weg getreten. Nicht bei Sinnen. Von den Göttern verflucht. Ein Monster …“
Die
Athener hatten viele Bezeichnungen für sie, doch seit die Perser ihr kostbares
Land bedrohten, war dieser Vorfall scheinbar in Vergessenheit geraten, wie so
vieles.
Ob
Serena noch wusste, was sie damals getan hatte, konnte er nicht sagen. Nie
hatte sie darüber geredet, was passiert war oder was sie in jener grausamen
Nacht miterleben musste mit niemandem, wie viele der anderen Waisenkinder auch.
Jeder
von ihnen hatte seine eigenen grauenhaften Erfahrungen gemacht, der eine mehr
und der andere weniger. Serena gehörte jedoch zu den wenigen, die genau
wussten, was an jenem Tag, an dem sich ihr Leben veränderte, vor sich ging. Sie
sah die Schatten, die vor ihren Augen vorbeizogen, hörte die Schreie, die in
der Ferne langsam zu ihr herüberhallten und fühlte die Kälte, die nach und nach
von ihrem Körper Besitz ergriff. Sie wusste nur nicht warum. Eine Frage, auf
die sie nie eine Antwort bekommen würde. Serena konnte nicht wie alle anderen
vergessen, konnte nicht
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