Das Siegel von Arlon [Adrian Pallmer, Band 1] (Adrian Pallmers magische Abenteuer) (German Edition)
»Wer bist du überhaupt?«
Ganz zögerlich begann Adrian mit gesenktem Blick, sich vorzustellen und von dem zu erzählen, was er von seinem Großvater erfahren hatte. Je mehr er erzählte, desto sicherer wurde er auch dabei. Als er das Amulett hochhob, das er noch immer fest umschlossen in seiner Hand hielt, begann es geheimnisvoll zu leuchten. Im gleichen Moment fing auch das Wappen im Boden an, noch kräftiger zu leuchten und Funken zu sprühen. Der Drachen, der im Zentrum des Wappens abgebildet war, begann sich zu bewegen und spuckte mehrere Salven Feuer. Amulett und Wappen waren nun durch helle, glitzernde Lichtbänder miteinander verbunden.
Wie meistens, kauerte der Zwerg Sa'Guor, der Vater Sa'Aris, fast unsichtbar in einer Ecke seiner finsteren Gefängniszelle. Seit dem letzten erfolglosen Versuch Wictor Irkovs, der sein Wächter war, ihn zum Bearbeiten des gelben Magiums zu zwingen, war er kaum mehr behelligt worden. Außer zu den Zeiten, wo ihm sein Essen gebracht wurde, war er immer allein. Nur ganz selten kam Irkov in die Zelle und versuchte ohne Erfolg, ihn auszufragen. Das kleine Stück Magium, was er damals unbemerkt hatte entwenden können, war natürlich nicht von schlechter Qualität, wie er es vorgegeben hatte, sondern war eines der außergewöhnlichen Meisterwerke, die ursprünglich aus seiner Hand stammten. Aus dieser besonderen magischen Legierung, die von allein seine Form zu verändern vermochte, hatte der alte Zwerg in den Wochen der Gefangenschaft mit den wenigen Werkzeugen, die er hatte verstecken können, einen kleinen Käfer mit langem, schlankem Körper und kleinen, sehr dünnen Flügeln geformt. Die metallisch-gelb leuchtende Skulptur rannte, hüpfte und flog in der Zelle umher und Sa'Guor schien seine Freude daran zu haben, dem Lichtfleck bei seinen Bewegungen zuzuschauen. Immer dann, wenn unerwartet jemand die Zelle betrat, blieb der Käfer dort, wo er war, liegen, hörte auf zu leuchten und passte sich an die Umgebung so täuschend echt an, dass er stets unentdeckt blieb. Mit der Zeit gelang es dem Zwerg noch besser, die Bewegungen des Käfers etwas zu steuern. Und obwohl Zwerge eigentlich unfähig sind, Magie auszuüben, hatte er es ganz offensichtlich erlernt, die magische Skulptur so zu kontrollieren, dass sie seinen Befehlen gehorchte.
Nach vielen Tagen des Spielens und des Trainings, womit Sa'Guor die Tristesse der Einzelhaft für sich etwas lindern konnte, erlernte er sogar eine Art Informationsaustausch mit dem fast lebendig wirkenden Tierchen aus Metall. Das funktionierte inzwischen so gut, dass der Zwerg begann, mit dem Metallkäfer sein Verlies und sogar die umliegenden Gänge und Räume zu erkunden, da sich der kleine Käfer durch nahezu jeden Spalt zwängen konnte, auch wenn dieser noch so eng war. Und so kannte er sich schon bald recht gut in dem Bereich des Kellers der Burg aus, wo er festgehalten wurde, obwohl er niemals seine Zelle verlassen hatte.
Vor Kurzem hatte er seinen bislang gewagtesten und riskantesten Versuch unternommen. Der Käfer war Wictor Irkov gefolgt, als er den Gang entlang lief, oder richtiger, torkelte. Es war schon später Abend und der dicke Zauberer hatte etwas viel - etwas zu viel - Wodka getrunken und war auf dem Weg zu seinem Zimmer. Als er in dem großen, im Chaos versinkenden Zimmer angekommen war, fiel er in einen Haufen Müll, unter dem man das Bett vermuten konnte, und schlief sofort ein. Der ganze Boden, der Tisch und die zwei Stühle waren mit Papierstücken, vollen und leeren Kisten, Dosen, Flaschen, zum Teil kaputten Geräten, aber auch Büchern und vor allem Dreck übersät. Die Regale an der Wand hingegen waren leer, wenn man von der dicken Staubschicht absah, die die Regalbretter bedeckte. Auch die Wände waren schmutzig und überall hingen alte Spinnweben herunter. Es dauerte recht lange, bis der Käfer nach intensiver Suche die Schatulle mit den anderen gelben Magiumstücken endlich fand. Er suchte sich ein Stückchen heraus, das ungefähr die gleiche Größe hatte, wie er selbst. In dem Moment, wo er es berührte, verschmolz es mit seinem Rumpf und bewegte sich mit ihm, als ob es schon immer zu seinem Körper gehört hätte. Erst später, als er zurück bei dem Zwerg war, trennte es sich wieder von ihm ab.
Seitdem verfolgte Sa'Guor nur noch ein Gedanke, er wollte seinem Sohn, Sa'Ari, eine Nachricht zukommen lassen. Nach weiteren Tagen vorsichtiger Arbeit war ein zweiter Käfer entstanden, der dem Ersten wie ein Ei
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