Das Sigma-Protokoll
Umlauf. Eine davon war die über Sigma. Eine verworrene und nebulöse Sache. Irgendwas über eine Allianz der mächtigsten Industriellen der Welt.« Er deutete auf zwei Gesichter. »Dass Männer wie Sir Alford Kittredge und Wolfgang Sieber - der eine hoch geehrt, der andere verabscheut - gemeinsame Sache machten. Dass sie sich an einem unbekannten Ort getroffen und einen geheimen Pakt geschmiedet hätten.«
»Was war Sinn und Zweck des Pakts?«
Lenz schüttelte ratlos den Kopf. »Wenn ich das wüsste, Mr. Hartman - darf ich Sie Ben nennen? Bis heute habe ich die Geschichte nie ernst genommen.«
»Und dass Ihr Vater darin verwickelt war?«
Lenz schüttelte langsam den Kopf. »Da bin ich überfragt. Vielleicht weiß Jakob Sonnenfeld mehr darüber.«
Sonnenfeld war der berühmteste noch lebende Nazijäger. »Würde er mir helfen?«
»Aus unserer Stiftung fließen beträchtliche Mittel an sein Institut«, sagte Lenz. »Ich bin sicher, dass er sein Bestes tun wird.« Er schenkte sich einen kräftigen Schluck Wodka ein. »Um eine Frage sind wir die ganze Zeit herumgeschlichen, stimmt’s? Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was Sie mit dieser Geschichte zu tun haben.«
»Kennen Sie den Mann, der neben Ihrem Vater steht?«
»Nein«, sagte Lenz. Er kniff die Augen zusammen. »Er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit... Aber das gibt’s doch nicht.«
»Doch. Das ist mein Vater.« Bens Stimme war nüchtern und sachlich.
»Das ergibt alles keinen Sinn«, sagte Lenz aufgeregt. »Jeder meiner Freunde und Bekannten kennt Ihren Vater. Er ist ein Philanthrop, ein Kämpfer für die gute Sache, ein Überlebender des Holocaust. Stimmt, der Mann auf dem Foto sieht ihm ähnlich - und Ihnen auch. Trotzdem: Das macht alles keinen Sinn.«
Ben lachte bitter. »Tja, für mich macht das alles auch keinen Sinn mehr, seit mich ein alter Collegekumpel umbringen wollte. In der Bahnhofstraße in Zürich.«
Lenz schaute ihn erschrocken an. »Wie bitte?«
Ben erzählte ihm, was in den letzten Tagen passiert war, und versuchte dabei, so ruhig und sachlich wie möglich zu bleiben.
»Dann wissen Sie ja, wie man sich fühlt, wenn man sich in Gefahr befindet«, sagte Lenz ernst. »Es gibt Verbindungsstränge, unsichtbare Fäden, die diese Fotografie und die jüngsten Todesfälle miteinander verbinden.«
Ben fiel in ein tiefes Verzweiflungsloch. So sehr er sich auch bemühte, Lenz’ Informationen zu einem stimmigen, logischen Bild zusammenzusetzen, er schaffte es nicht. Anstatt die Lage zu klären, kam sie ihm immer verworrener, immer wahnsinniger vor.
Ben bemerkte erst, dass Ilse Lenz das Wohnzimmer wieder betreten hatte, als er ihr Parfüm roch.
»Dieser junge Mann hier bringt uns in höchste Gefahr«, sagte
sie zu ihrem Mann mit einer Stimme wie Sandpapier. Dann schaute sie Ben an. »Verzeihen Sie, aber ich kann nicht mehr länger schweigen. Mein Mann wird wegen seines Kampfes für die Gerechtigkeit schon seit vielen Jahren von Extremisten bedroht. Es tut mir aufrichtig Leid, was Sie durchmachen müssen. Aber wie alle Amerikaner handeln Sie unbedacht und leichtsinnig. Um ihrer privaten Vendetta willen verschaffen Sie sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Einlass in unser Haus.«
»Ilse, bitte«, sagte Lenz.
»Sie sind ein ungebetener Gast, der uns in Lebensgefahr bringt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt gehen würden. Mein Mann engagiert sich über die Maßen für die Sache. Soll er auch noch sein Leben opfern?«
»Sie müssen Ilse verstehen«, sagte Lenz entschuldigend. »An manche Dinge in meinem Leben hat sie sich bis heute nicht gewöhnen können.«
»Sie hat ja Recht«, sagte Ben. »Ich habe schon zu viele Menschen in Gefahr gebracht.« Seine Stimme klang hohl.
Ilses Gesicht glich einer starren Maske. »Gute Nacht«, sagte sie entschieden und drehte sich um.
Während Lenz seinen Gast zur Haustür brachte, sprach er leise und eindringlich auf ihn ein. »Ich helfe Ihnen. Meine Beziehungen und Kontakte werden Ihnen nützlich sein. Ich tue, was in meiner Macht steht. Mit einem hat Ilse allerdings Recht. Sie sind leichtsinnig; Sie wissen nicht, mit wem Sie es zu tun haben. Ich kann Ihnen nur raten, mein Freund, äußerst vorsichtig zu sein.« Lenz’ gepeinigter Gesichtsausdruck kam Ben irgendwie vertraut vor. Und dann fiel ihm ein, dass Peter ihn mit dem gleichen Blick angeschaut hatte. Der Kampf gegen scheinbar übermächtige Gegner schien die beiden Männer ausgezehrt zu haben. Und dennoch teilten sie die
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