Das Sigma-Protokoll
abgespielt. Je nach Lautstärke tänzelten kleine rote Balken über den Schirm. Außer der Lautstärke konnte man auch die Geschwindigkeit der Aufnahme einstellen.
Jedes Gespräch, das die Frau von ihrem Hotelzimmer aus geführt hatte, war auf der Festplatte gespeichert. Die Technologie stammte von den Israelis.
Die Tür öffnete sich, und Inspektor Walter Heisler betrat den kleinen, mit grünem Linoleum ausgelegten Raum. Er ging zum Schreibtisch und nickte kurz zur Begrüßung. Auch er rauchte. Der Techniker setzte den Kopfhörer ab und drückte seine Zigarette aus.
»Irgendwas Interessantes?«, fragte der Inspektor.
»Die meisten Anrufe gingen nach Washington.«
»Eigentlich müssten wir ja Interpol informieren, wenn wir internationale Telefonate aufzeichnen«, sagte Heisler augenzwinkernd.
Der Techniker runzelte komplizenhaft die Stirn.
Heisler zog einen Stuhl näher. »Was dagegen, wenn ich ein bisschen zuschaue?«
Kalifornien
Als das Handy klingelte, spazierte der junge Computer-Milliardär Arnold Carr gerade mit seinem alten Freund und Mentor, dem Investment-Guru Ross Cameron, durch einen Redwoodwald im Norden Kaliforniens.
Die beiden verbrachten in einer Art exklusivem Sommerlager, das unter dem Namen Bohemian Grove bekannt war, gerade ein Wochenende mit einigen der reichsten und einflussreichsten Männer Amerikas. Im Lager lief gerade irgendein idiotisches Spiel mit dem Namen »Paintball«, das vom Präsidenten der Bank-America und dem amerikanischen Botschafter am Hof von St. James geleitet wurde.
Doch Carr, der Gründer eines ungeheuer erfolgreichen Software-Unternehmens, und sein Milliardärskumpel Cameron, der so genannte Weise von Santa Fe, nutzten die seltene Gelegenheit, um sich mal wieder richtig auszuquatschen. Sie wanderten stundenlang durch den Wald und redeten über Geld und Geschäfte, über gemeinnützige Stiftungen und Kunstsammlungen, über ihre Kinder und über jenes höchst geheime Projekt, bei dem man sie um ihre Mitwirkung gebeten hatte.
Carr zog das winzige, schnarrende Handy aus der Brusttasche seines karierten Holzfällerhemdes. Die wenigen Angestellten, die die Nummer kannten, hatten strikte Anweisung, ihn an diesem Wochenende auf keinen Fall zu stören.
»Ja?«, sagte er ärgerlich.
»Mr. Carr, es tut mir furchtbar Leid, dass ich Sie an einem Sonntagmorgen behellige«, sagte die Stimme. »Hier ist Mr. Holland. Hoffentlich habe ich Sie nicht geweckt.«
Carr erkannte die Stimme sofort. »Nein, nein«, sagte er freundlich. »Ich bin schon seit Stunden auf den Beinen. Was gibt’s, Mr. Holland?«
Als Mr. Holland fertig war, sagte Carr: »Okay, mal sehen, was ich tun kann.«
27. KAPITEL
Wien
Gegen neun Uhr war Ben wieder in seinem Hotel. Er hatte zwar Hunger, konnte aber vor lauter Nervosität nichts essen. Die vielen Tassen Kaffee hatten seinen Magen arg strapaziert. Weil bei der Schießerei zwei Scheiben des Opel Vectra zu Bruch gegangen waren und der ganze Innenraum mit Glassplittern übersät war, hatte er sich ein Taxi nehmen müssen.
In der Lobby war nichts los. Die Hotelgäste waren entweder noch beim Abendessen oder schon auf ihren Zimmern. Zwischen den sich überlappenden Persern blitzte an manchen Stellen der polierte Marmor auf.
Der Portier war ein aalglatter Mittvierziger, der ihn durch die Gläser seiner Nickelbrille aufmerksam anschaute. Noch bevor Ben etwas sagen konnte, gab er ihm den Zimmerschlüssel.
»Danke«, sagte Ben. »Irgendwelche Nachrichten?« Vielleicht hatte sich der Detektiv gemeldet.
Der Portier tippte auf der Computertastatur. »Nein, Sir. Nichts außer der, die Sie schon bekommen haben.«
Wie bitte? Was für eine Nachricht?
»Was war das für eine Nachricht?«, fragte er.
»Keine Ahnung, Sir. Sie haben sie sich vor ein paar Stunden am Telefon durchgeben lassen.« Er tippte wieder. »Um zwanzig nach sechs.«
»Könnten Sie mir die Nachricht noch mal geben?« Das musste ein Irrtum sein. Oder...
»Tut mir Leid, Sir. Aber wenn der Gast die Nachricht erhalten hat, wird sie gelöscht.« Er grinste verschlagen. »Wir können schließlich nicht alle Nachrichten speichern.«
Ben fuhr in dem kleinen Eisenkäfig in den dritten Stock hinauf.
Nervös spielte er mit der Messingkugel herum, an der der Zimmerschlüssel hing. Er traute es Anna Navarro einfach nicht zu, dass sie im Hotel hatte anrufen lassen, um an seine Nachrichten und eventuelle Kontaktpersonen zu kommen.
Aber wer hatte ihm die Nachricht hinterlassen? Außer Anna Navarro
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