Das Sigma-Protokoll
an, die sich alle über den Anruf eines ihrer Gönner freuten. In der vertrauten Rolle klang Ben frisch und munter. Was er erfuhr, war allerdings ziemlich bestürzend.
»Die Leute von der Lenz-Stiftung sind wirklich großartig«, sagte Geoffrey Baskin, Programmkoordinator der Robinson
Foundation, in seinem einschmeichelnden New-Orleans-Dialekt. »Das Symposium ist ganz allein ihr Baby. Aber sie wollten etwas im Hintergrund bleiben. Sie haben praktisch das komplette Programm gemacht und auch fast alles bezahlt. Das Lob, das wir dafür einheimsen, gebührt eigentlich ausschließlich ihnen. Schätze, sie wollten, dass das Ganze einen internationalen Touch hat. Selbstlose Arbeit, kann man nicht anders sagen.«
»Das hört sich ja wirklich toll an«, meinte Ben und versuchte, weiter aufgekratzt und fröhlich zu klingen. In Wirklichkeit war er ziemlich deprimiert. »Wir überlegen gerade, ob wir bei einem Projekt mit der Lenz-Stiftung zusammenarbeiten wollen. Scheint ja alles sehr positiv zu sein.«
Würdenträger und Staatsmänner aus aller Welt würden in Wien unter der Schirmherrschaft der Lenz-Stiftung zusammenkommen.
Sie mussten unbedingt nach Wien.
Wien war der einzige Ort der Welt, an dem sie sich besser nicht blicken ließen. Und trotzdem mussten sie auf schnellstem Wege dorthin.
Anna und er gingen nervös im Hotelzimmer hin und her. Sicher, sie konnten die schon vertrauten Vorkehrungen treffen: Verkleidung, falsche Papiere, getrennte Flugzeuge. Aber das Risiko war trotzdem verdammt hoch.
»Wir sind keine Traumtänzer, oder?«, sagte Anna. »Also müssen wir davon ausgehen, dass normale Linienflüge nach Wien genauestens überwacht werden. Bei denen herrscht jetzt Alarmstufe Rot.«
»Moment mal. Was hast du gerade gesagt?«
»Dass bei denen jetzt Alarmstufe Rot herrscht. Über die Grenze zu kommen ist jetzt sicher kein Spaziergang mehr. Eher ein Spießrutenlaufen.«
»Nein, ich meine, was du davor gesagt hast.«
»Wir sollten davon ausgehen, dass normale Linienflüge nach Wien...«
»Genau, das ist es.«
»Was ist was?«
»Woran ich denke, stellt zwar immer noch ein Risiko dar. Aber ein kleineres.«
»Ich höre.«
»Ich werde Fred McCallan anrufen. Einen alten Knacker, mit dem ich in St. Moritz Ski fahren wollte.«
»Du wolltest nach St. Moritz, um mit einem alten Knacker Ski zu fahren?«
Ben wurde verlegen. »Nun ja, da war noch eine Enkelin mit im Spiel...«
»Red weiter.«
»Entscheidend ist, dass auch ein Privatjet mit im Spiel war. Eine Gulfstream. Bin einmal damit geflogen. Alles in Rot: rote Sitze, roter Teppichboden, roter Fernseher. Fred ist sicher noch im Carlton, und das Flugzeug steht auf einem kleinen Flugplatz in Chur.«
»Du meinst, du willst ihn fragen, ob du dir mal eben seinen Privatflieger ausleihen kannst? So wie man sich den Pick-up vom Nachbarn für den Supermarkt ausleiht?«
»Warum nicht?«
Anna schüttelte den Kopf. »Es stimmt also, was man sich so erzählt. Die Reichen unterscheiden sich doch ein klein wenig von Leuten wie uns.« Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ich meine natürlich, von Leuten wie mir.«
»Anna...«
»Tschuldigung, Ben, aber ich hab eine Scheißangst. Da kann einem schon mal ein schlechter Scherz rausrutschen. Ich kenn den Kerl ja nicht, aber wenn du ihm vertraust, dann los.«
»Ist nur, weil du völlig Recht hast. Auf die Linienflüge haben die todsicher ein Auge.«
Anna nickte. »Mit einem Privatflugzeug ist die Chance auf jeden Fall wesentlich größer-wenn man nicht gerade aus Kolumbien kommt. Dein Freund mit der Gulfstream könnte zum Beispiel in Brüssel auf uns warten.«
»Okay, wir fliegen also von Buenos Aires nach Brüssel. Vorausgesetzt, es gibt keine Probleme mit den Papieren, die Oscar uns besorgt hat. Dann steigen wir in Freds Privatjet und fliegen weiter nach Wien. Wir reisen im Stil eines Sigma-Bosses. Dass wir in einer Gulfstream einfliegen, werden die kaum erwarten.«
»Das ist zumindest der Anfang eines Plans«, meinte Anna.
Ben rief im Carlton in St. Moritz an und ließ sich verbinden.
Fred McCallans Stimme überdröhnte selbst Ozeane spielend.
»Herr im Himmel, Benjamin! Weißt du, wie spät es ist? Willst dich wohl entschuldigen, was? Louise war am Boden zerstört. Ist sie immer noch. Und dabei habt ihr so viele gemeinsame Interessen.«
»Ich weiß, Fred. Tut mir Leid, dass ich...«
»Schwamm drüber. Ich freue mich, dass du anrufst. Weißt du eigentlich, was für groteske Geschichten über dich im Umlauf sind?
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