Das silberne Dreieck
soviel ausmachen, Mr. Manfred«, der alte Mann strich sich mit zitternder Hand über die Lippen, »aber ich habe eine Tochter, ein intelligentes, junges Ding, das meiner Meinung nach eine große Zukunft vor sich hat. Ich hatte gehofft, sie in gesicherten Verhältnissen zurückzulassen, aber so bedeutet das meinen Ruin, den vollkommenen Ruin! Kann man denn gar nichts unternehmen, um an diesen Schuft heranzukommen?«
Manfred zögerte einen Augenblick mit der Antwort.
»Sie müssen sich klarmachen, General, daß Sie innerhalb der letzten drei Monate der zwölfte sind, der in gleicher Angelegenheit zu uns kommt. Mr. True ist durch die Paragraphen und vor allen Dingen durch seine eigenen Briefe so gedeckt, daß es beinahe unmöglich ist, ihm etwas anzuhaben. Es gab mal eine Zeit« - er lächelte leise -, »in der meine Freunde und ich mit diesem Herrn in äußerst drastischer Weise verhandelt hätten und, wie ich überzeugt bin, mit Erfolg; aber jetzt«, er zuckte die Achseln, »sind wir in der Wahl unserer Methoden sehr beschränkt. Wer hat Sie denn mit Mr. True zusammengebracht?«
»Mrs. Calford Creen. Ich lernte die Dame bei einem meiner Freunde kennen und wurde dann von ihr zum Dinner geladen - in ihrem Haus in Hannover Mansions.«
Manfred nickte. Diese Mitteilung überraschte ihn nicht sehr. »Ich fürchte, ich kann Ihnen recht wenig versprechen«, sagte er. »Ich bitte Sie aber, mit mir in Verbindung zu bleiben. Wo wohnen Sie, wenn ich fragen darf?«
Sein Besucher wohnte in einem kleinen Haus in der Nähe von Truro. Manfred schrieb sich die Adresse auf und blickte wenige Minuten später vom Fenster aus dem mutlosen alten Mann nach, der langsam die Curzon Street hinunterging.
Poiccart kam ins Zimmer.
»Ich weiß nicht, was der Herr von dir wollte«, begann er, »aber ich habe so eine Ahnung, als ob es sich wieder um unseren Freund Bonsor True handelte. George, wir sollten doch eine Möglichkeit finden, den Mann zu fassen! Leon hat erst heute morgen beim Frühstück einen tiefen See in New Forest erwähnt, in dem ein Mann - mit Ketten und schweren Gewichten gut verankert - hundert Jahre liegen kann, ohne entdeckt zu werden. Ich persönlich habe ja keine besondere Vorliebe für das Ertränken, aber ...«
George Manfred lachte.
»Hüte dich vor dem Gesetz, teurer Freund. Töten ist - ich muß sagen: leider - ausgeschlossen, obgleich ein Mann, der ganz systematisch die Menschen ausplündert, so etwas wie flüssiges Blei reichlich verdient hat.«
Auch Leon Gonsalez, der am Nachmittag nach seiner Meinung gefragt wurde, konnte keine Lösung des Problems finden.
»Es ist merkwürdig, daß True keinerlei Kapitalien in England hat. Er hat Konten auf zwei verschiedenen Banken, die aber gewöhnlich überzogen sind. Ich sollte mich gar nicht wundern, wenn er sein Geld an irgendeinem sicheren Platz versteckt hätte. In diesem Fall wäre die Sache ja sehr einfach. Seit beinahe einem Jahr halte ich den Mann unter ständiger Beobachtung, aber nicht ein einziges Mal ist er nach dem Ausland gegangen, und seine kleine Wohnung in Westminster habe ich schon so oft durchsucht, daß ich mit verbundenen Augen den Platz finden könnte, wo er seine Frackschleifen aufbewahrt.«
All dies ereignete sich im Frühjahr. Weitere Klagen über zweifelhafte Manöver Bonsor Trues wurden nicht mehr gehört, und die ›Drei Gerechten‹ hatten immer noch keine Möglichkeit gefunden, mit ihm im Interesse aller seiner Opfer abzurechnen, als das Verschwinden Margaret Leins Presse und Publikum beschäftigte - von Scotland Yard gar nicht zu reden.
Margaret war keine sehr wichtige Person, ganz im Gegenteil; sie war ja nur Kammerzofe bei Mrs. Calford Creen. Eines Abends war sie nach der Apotheke gegangen, um Riechsalz für ihre Herrin zu besorgen, und war nicht wiedergekommen.
Sie war sehr hübsch, neunzehn Jahre alt, war anscheinend Waise und hatte weder Bekannte noch irgendeinen Freund im landläufigen Sinn des Wortes. Aber es war eigentlich undenkbar, und darauf wies die Polizei besonders hin, daß ein hübsches, junges Mädchen mit tadellosen Manieren ein ganzes Jahr in London verbracht haben sollte, ohne auch nur einen einzigen Verehrer gefunden zu haben.
Mrs. Calford Creen begnügte sich nicht mit den Nachforschungen der Polizei, sondern hatte die ›Drei Gerechten‹ zu Hilfe gerufen.
Eine Woche war schon seit dem Verschwinden Margaret Leins verstrichen, als ein sehr bekannter Anwalt quer über die Tanzfläche des Leiter-Clubs auf einen
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