Das silberne Schiff - [Roman]
Vaters. Akashi hatte immer wieder gesagt, dass jeder perfekt war. Man musste nur sein eigenes Spiegelbild betrachten, um es zu erkennen.
Wir hatten uns ein paar hundert Meter vom Schiff entfernt und waren immer noch allein. Sie ließen uns wirklich gehen. Liam grinste mich an, und seine Augen blitzten. »Los!« Er steigerte sein Tempo, und kurz darauf rannte er mit schnellen Schritten voraus. Ich lachte über ihn und genoss die Freiheit, draußen unter offenem Himmel zu sein, dann lief ich ebenfalls schneller, um ihn einzuholen und an ihm vorbeizuziehen. Er bekam mich zu fassen und nahm meine Hand. So rannten wir weiter, bis wir die Dämmerungsmacht aus den Augen verloren hatten. Im Laufen setzten wir unsere Sorgen frei.
Extreme körperliche Anstrengung versetzte mich jedes Mal – unabhängig von meiner Schwangerschaft – in einen Zustand, in dem nur noch der gegenwärtige Schritt zählte, nur noch der Weg unter meinen Füßen, der Wind in meinem Haar. Die Dämmerungsmacht und die Brennende Leere existierten nicht mehr. Es gab nur noch uns zwei und unsere gemeinsame Bewegung. In diesem Moment gehörte Islandia uns allein, und es war, als wären wir die einzigen Menschen, die frei und wild in diesem Land lebten.
Wir erreichten den Eingang zum Goldkatzental und blieben keuchend stehen, um uns auszuruhen. Wir waren nicht weit von der Landzunge entfernt. Unser Atem kam in tiefen Schüben, während die Wellen unter uns gegen die Felsen krachten. Liam zog mich an sich. »Ich mag diese Menschen nicht«, sagte er. »Haben sie uns nur deshalb so unfreundlich behandelt, weil sie nicht wussten, wer wir sind? Wie wären wir behandelt worden, wenn sie nicht bemerkt hätten, dass wir Modifizierte sind?«
Ich strich mit der Hand beruhigend über seinen Rücken und spürte das schweißfeuchte Hemd. »Schlecht. Zumindest glaube ich, dass wir dann noch dort wären, vielleicht sogar in diesem schrecklichen kleinen Raum.« Ich erschauderte, obwohl mich die Anstrengung des Laufens erhitzt hatte und der Sommertag immer noch warm war. »Sie verbergen vor uns, was sie wirklich beabsichtigen.«
»Ich weiß.« Sein Blick ging zurück in Richtung der Dämmerungsmacht . Seine Stirn lag in Falten, seine Lippen waren zusammengepresst.
»Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie uns jetzt gut behandeln. Vielleicht sind wir wie zahme Hunde, die sie laufen lassen, weil sie wissen, dass wir zurückkommen werden, und weil sie wollen, dass wir es freiwillig tun.«
»Aber warum?«
Ich zögerte. »Es ist, als wären sie gezwungen, uns gut zu behandeln, nachdem sie erfahren haben, woher wir stammen.«
Wir wussten fast nichts über Silberheim, über unsere Herkunft. Nur das, was wir den Datenspeichern entnommen hatten, die Jenna uns dagelassen hatte, und das wenige, das sie uns erzählt hatte. Dort gab es viel mehr Technik als bei uns. Sie modifizierten sich selbst, und sie hatten uns modifiziert. Sie waren stark und anders, und sie flogen ohne Schwierigkeiten von Stern zu Stern, anscheinend ohne jeden Mangel, der das Leben in Artistos einschränkte. Ich war die Einzige von uns allen, die sich überhaupt an unsere eigentlichen Eltern erinnerte, und selbst meine Erinnerungen waren nur verschwommen und spärlich. Das meiste, was wir über uns selbst wussten, hatten wir später herausgefunden. »Es fühlte sich an, als könnte jedes Wort, das ich sage, ein großer Fehler sein. Ich möchte morgen nicht zu ihnen zurückgehen.«
Wir nahmen den Pfad ins Tal in langsamerem Tempo.
Bald hielt ich nach Kayleen Ausschau. Sie musste wissen, dass wir zurückkamen. Aber zuhause wurden wir nur vom Rauschen des Wasserfalls begrüßt. Wir hielten am Eingang zum verborgenen Tal an und blickten hinab. Sah es hier noch genauso aus? Waren sie hier gewesen, während sie uns im Schiff festgehalten hatten?
Unser Haus und das Gehege standen noch da wie immer, friedlich und leer. Ich stieß einen erleichterten Atemzug aus. Aber warum war Kayleen uns nicht von der Höhle entgegengekommen, als sie unsere Signaturen im Netz des Tals gesehen hatte?
Kapitel 30
Das Netz der Fremden
Da im Tal niemand war, liefen wir zur Höhle.
Brise stand im Hintergrund an der Wand, den Kopf gesenkt und stupste Kayleen an, die reglos auf dem Boden lag.
»Kayleen!« Ich eilte zu ihr.
Das Gebra hob den Kopf und trat mit einem traurigen Schniefen zurück. Ich legte eine Hand an Kayleens Hals. Sie atmete, aber ihre Haut war so weiß und blutleer, dass die blauen Adern durchschimmerten. Sie
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