Das silberne Schiff - [Roman]
Abgrund, unter dem sich der Samtwald bis zum Rand von Artistos ausbreitete. Kayleen führte uns zu den bewachsenen Felsen zwischen der Straße und der steilen Abbruchkante.
Zwei Stunden waren vergangen, seit wir die Höhle verlassen hatten, und jetzt wärmte die Sonne unsere Rücken und Wangen. Am Rand hatten sich die nachts geschlossenen Blüten wie Glocken geöffnet, und die sommerlichen Triebe der Stolperreben umwedelten unheilvoll unsere Füße. Wir blickten auf Artistos hinab.
Ein dünner Rauchfaden stieg gekräuselt von einer Gemeinschaftsküche auf. Eine Handvoll Leute bewegte sich langsam durch den Obstgarten und pflegte die Apfelbäume.
Die Krüppel, Greise und Irren. Man hatte sie zurückgelassen, damit sie die Pflanzen versorgten. Außerdem die Kulturgilde, geleitet von einigen Städtern und Vagabunden, die freiwillig geblieben waren. Aus dieser Entfernung ließ sich unmöglich sagen, wer was war.
Kayleen schürzte die Lippen. »Es gefällt mir nicht, dass dort noch Menschen sind.« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern und fixierte Liam und mich mit geweiteten blauen Augen. »Sie kommen.«
Ich blickte auf den Streifen Meer, der hinter Artistos am Horizont schimmerte, jenseits der Grasebene. Sonnenlicht spiegelte sich auf zwei Gleitern. Nein, drei.
Ich drückte ihre Hand und flüsterte: »Und was jetzt? Was können wir tun?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie schloss die Augen und suchte in den Netzen nach ihnen. »Ich kann sie nicht spüren.«
Liam sprach leise, aber eindringlich in seinen Ohrempfänger. »Drei feindliche Gleiter über der Grasebene. In Kürze dürften sie Artistos erreicht haben.«
Ich holte tief Luft, um meinen Magen zu beruhigen. Der Tag war hell, blau und grün und ein wenig golden. Alles unter uns strahlte in Hoffnung und Frieden – ausgenommen das Licht, das sich auf den Gleitern spiegelte. Tränen schossen mir in die Augen.
Der Kriegsrat hatte angeordnet, dass wir keine direkten Verteidigungsmaßnahmen ergreifen sollten.
Die winzigen Gestalten im Obstgarten zerstreuten sich und liefen zur Metallwerkstatt und zu den Lagerhäusern.
Zwei Gleiter verlangsamten und schienen in den Landeanflug zu gehen. Der dritte stieg höher empor. Die Höhle! Ich packte Liams Arm. Er schüttelte den Kopf und sprach dann in den Ohrempfänger. »Achtung, Höhle! Eine Maschine fliegt in eure Richtung. Geht tief in Deckung.«
Die Brennende Leere hatte genügend Platz in der Höhle der Macht, aber die Gleiter der Angreifer waren viel größer. Wenn sich die Leute tief ins Innere zurückzogen, waren sie vielleicht ausreichend geschützt. Das hatten wir mehrmals geübt.
Einer von uns hätte dortbleiben sollen.
Nun, Hunter war dort. Er würde sich um alles kümmern.
Mein Blut rauschte, und mein Herz pochte laut. Ich stand zitternd und wartend da, während das Adrenalin durch meinen Körper strömte und mich drängte, etwas zu tun.
Der eine Gleiter kreiste am Himmel, während die anderen zwei auf dem noch nicht abgeernteten Heufeld hinter den Gebraställen landeten. Also sollte er den anderen beiden Rückendeckung geben. Vielleicht flog er doch nicht zur Höhle. Ich blickte mich zu Liam um, der den Kopf schüttelte. Er flüsterte, als könnten die fernen Gleiter uns hören. »Sie sollen sich verstecken. So ist es sicherer.«
Menschliche Gestalten stiegen aus den großen Gleitern.
»Jeweils zehn«, sagte Kayleen leise. »Macht zwanzig. Plus die im dritten Gleiter.«
Über die Hälfte ihrer Gesamtstreitmacht. Sie meinten es ernst. Nur dass sie nicht mit der Dämmerungsmacht gekommen waren. Sie waren bestimmt nicht imstande, mit drei Gleitern die ganze Stadt auszulöschen. Oder doch?
Der dritte Gleiter zog weiter seine Kreise und landete nicht. Der Bogen berührte fast den Hochweg und kam uns recht nahe, aber er blieb unter uns.
»Bitte seht uns nicht«, murmelte Kayleen.
Jemand kam aus Artistos und lief den Söldnern langsam mit erhobenen Händen entgegen. Die Person ging zu Boden, bevor sie auch nur in ihre Nähe kam.
Kayleen keuchte, und meine Tränen flossen. Doch gleich darauf folgte Wut – ein heißer Zorn, der sich Luft verschaffen wollte. Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zu schreien – vor Entsetzen, was dort geschah, und aus Verzweiflung, weil ich nichts dagegen tun konnte.
Die Invasoren bewegten sich in zwei Gruppen durch die Stadt. Zwei weitere Personen stürzten lautlos, als sie offenbar getötet wurden. Jedes Mal zuckte ich zusammen. Einmal stürmten drei Leute auf die
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