Das silberne Schiff - [Roman]
einen überraschten Seitenblick zu. Wir hatten beschlossen, dass wir versuchen wollten, Navas Aufgaben zu übernehmen, aber wollte Kayleen es auch dann tun, wenn sie damit ihre eigene Mutter verdrängte? Was hatte sich Akashi überhaupt dabei gedacht? Paloma war eine Heilerin, keine Kämpferin.
Aber vielleicht war es genau das, was ein Kriegsrat brauchte. Ich nickte Kayleen stumm zu, als Zeichen, dass sie entscheiden sollte.
Sie räusperte sich. »Mutter ist eine gute Wahl. Genauso wie wir beide.«
»Nein!«, protestierte Ruth.
Akashi hob die Hand, damit sie schwieg. »Warum ihr?«
Ich sah Akashi und Hunter an. Ich brauchte beide, wenn ich Ruth überstimmen wollte. »Weil Kayleen manchmal ihre Netze lesen kann. Und weil sie jederzeit unsere lesen kann. Nachdem Gianna … tot ist …« Ich musste schlucken. »Ohne Gianna brauchen wir Kayleens Fähigkeiten umso dringender. Schließlich hat sie erst gestern in ihren Netzen gehört, wie sie darüber redeten, ob sie heute zurückkommen wollen, und nun ist sich Kayleen ziemlich sicher, dass sie die nächsten Tage Ruhe geben werden.«
Kayleens Wangen röteten sich.
Tom sah sie mit ernstem Blick an. »Du glaubst wirklich, dass sie vorerst nicht zurückkommen?«
Kayleen senkte den Kopf. »Sie werden wiederkommen. Bald.« Sie schien mit sich zu kämpfen. »Ich glaube nicht, dass es heute passieren wird. Ich glaube, sie wussten nicht, dass ich mitgehört habe. Aber man kann sich niemals sicher sein.«
Hunter lächelte anerkennend.
Ich brachte das Gespräch auf uns zurück. »Außerdem sind Liam und ich mehr wie sie – körperlich, meine ich. Gebt uns dreien eine Stimme. Später könnt ihr überlegen, ob wir stärker vertreten sein sollten.«
In Akashis Augen stand immer noch eine Frage, und Tom beobachtete uns aufmerksam mit neutraler Miene.
Ruth musste ich gar nicht ansehen.
»Wir haben Fähigkeiten, die ihr braucht«, fügte Kayleen hinzu. »Wir können euch helfen.«
»Seid ihr sicher, dass ihr dazu bereit seid?«, fragte Tom und blickte Kayleen an. »Geht es dir besser? Bevor ihr verschwunden seid, sahst du nicht so gut aus. Und selbst jetzt wirkst du … ich weiß nicht. Anders.«
»Wir sind anders«, stellte Liam fest.
Tom sah Kayleen an, bis sie seinen Blick erwiderte und sagte: »Ich bin dazu in der Lage.« Ihre Stimme war gleichmäßig, kühl und kräftig. Ich war stolz auf sie.
Akashi klatschte in die Hände. »Warum nicht?«
Tom nickte.
Ruth funkelte uns an. »Woher sollen wir wissen, ob wir ihnen vertrauen können? Wir lassen die Tatzenkatzen in unserer Mitte sitzen, während wir überlegen, wie wir Jagd auf ihre Artgenossen machen wollen.«
Hunter warf ihr einen Blick aus klaren Augen zu. »Vielleicht können wir ein paar Tatzenkatzen gut gebrauchen. Inzwischen sind sie erwachsen.«
Ruth zeigte auf uns. »Als würden sie sich verantwortungsvoller verhalten, indem sie sich fortpflanzen. Was ist, wenn sie Monstren wie ihre Eltern auf die Welt bringen?«
Liams Hand auf meiner Schulter hielt mich davon ab, zornig aufzuspringen.
»Das sind meine Enkelkinder, Ruth«, sagte Akashi leise.
Sie stieß einen frustrierten Seufzer aus und wandte sich ab.
Akashi sah seinen Sohn an, als wollte er einschätzen, wie gut er seine neue Rolle ausfüllen konnte. Schließlich nickte Akashi. »Ich denke, genau dazu habe ich dich erzogen. Es gefällt mir nicht, und deiner Mutter dürfte es auch nicht gefallen, aber eines Tages wirst du erwachsen sein.«
Liam lächelte sanft und nickte. Kayleen saß reglos da, den Rücken kerzengerade aufgerichtet, die Augen mit klarem und entschlossenem Blick. Ich seufzte und wünschte mir erneut, dass wir keinen Krieg führen mussten.
Ruth brummte leise, erhob aber keine weiteren Einwände. Mir war klar, dass sie uns genau beobachten würde, falls wir irgendeinen Fehler machten.
Kapitel 44
Kampf um Artistos
Ruth bemerkte unseren ersten Fehler, bevor die Zusammenkunft beendet war. Wir hatten bereits eine Stunde lang diskutiert, wie wir Fallen in den Wäldern um Artistos aufstellen wollten, ohne dass wir uns dabei selbst verletzten, als Ruth aufstand und sich streckte. Sie keuchte, dann blickte sie streng zu Kayleen hinüber. »Du hast dich geirrt!«, zischte sie. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Himmel zu, während wir alle uns aufrappelten. Sie zeigte in Richtung Meer. »Ist das ihr Schiff?«
Dort bewegten sich drei winzige Punkte, die Gleiter. Ihnen folgte etwas Größeres, das nur die Dämmerungsmacht sein
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