Das silberne Schiff - [Roman]
tun.«
In mir war eine verzweifelte Leere, wie mitten in einem Alptraum, wenn es unmöglich ist zu erwachen. »Was?« Was hatten sie getan? Was konnte wichtiger sein als die Babys?
Kaal wurde schneller, und Caros Hand entglitt mir. Lushia lächelte, als würde es ihr großes Vergnügen bereiten, mit meinen Gefühlen zu spielen. »Du musst mit jemandem reden.«
»Gebt mir meine Babys!«, verlangte ich und versuchte mit ihnen Schritt zu halten, als sie einen schmalen Pfad hinaufliefen. Zweige schlugen mir ins Gesicht und schürften meine Haut auf, doch das war mir egal. »Lushia!«
Sie drehte sich um und blickte auf mich herab. Ihr rotes Haar umrahmte ihr Gesicht, so dass sie mich für eine Sekunde an Nava erinnerte. »Wir werden ihnen nichts zuleide tun. Sie sind an Bord der Dämmerungsmacht in Sicherheit, wenn du bereit bist, mit uns zu reden.«
»Ich werde jetzt mit euch reden. Über alles, was ihr wollt.«
Lushia schüttelte den Kopf und nahm Kaal das Baby aus den Armen. Sie deutete mit einem Nicken auf mich. »Halt sie fest.«
»Nein!«, schrie ich. Kaals Arme schlossen sich um mich, und sie blieb reglos mitten auf dem Pfad stehen. Caro streckte mir wieder die Hände entgegen und fing wieder an zu weinen.
In Kaals Umarmung konnte ich mich nicht von der Stelle rühren. Ich verpasste ihr einen Kopfstoß, immer wieder, ich trat mit den Füßen nach ihr. Kaal ließ sich davon nicht beirren.
Die kleine Prozession folgte einer Kurve, und ich verlor Jherrel und Caro aus den Augen. Es zerriss mir das Herz, und ein Klagelaut drang aus meiner Kehle. Darauf folgte heiße Wut. Durch zusammengebissene Zähne stieß ich hervor: »Wenn ihr ihnen etwas antut, werde ich euch mit eigenen Händen töten.«
In ihren Augen schimmerte Mitgefühl, aber sie hielt mich schweigend fest, bis in der Ferne ein Gleiter startete und tief über die Baumwipfel hinwegflog. Tränen ließen mein Blickfeld verschwimmen und verwandelten die Maschine in ein undeutliches silbernes Geschoss und die Bäume in einen Teppich aus feuchtem Grün.
Kaal ließ mich los.
Ich fiel auf den Pfad und schlug die Hände vors Gesicht.
Kaal ging in die Knie. Sie berührte mich nicht, aber sie flüsterte mir zu: »Deine Freunde sind eingetroffen. Geh zur Grasebene. Lauf, so schnell du kannst.«
Dann war Kaal verschwunden.
Kapitel 50
Die Grasebene
Immer wieder hörte ich Kaals Flüstern im Kopf. »Geh zur Grasebene.«
Ich konnte es nicht ausstehen, wenn man mir Befehle erteilte.
Es wäre sinnlos, nach Artistos zu laufen und zu verlangen, dass sie mir die Kinder zurückgaben. Ich wagte es nicht, mich den Anweisungen des goldenen Kapitäns und ihrer Stellvertreterin zu widersetzen.
Ich schluchzte, als ich mich erhob, dann krümmte ich mich weinend zusammen.
»Chelo!« Liams Stimme. Auch Kayleen war da. Im nächsten Moment schlossen mich beide in die Arme.
Ich trug immer noch den Ohrempfänger. »Sie sind fort. Wer hört mit?«
»Sky.« Die Höhle.
»Akashi.« Die Westsippe.
»Donni.« Jemand aus der Ostsippe.
»Loren.« Eine der umherstreifenden Gruppen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Sky.
»Nein.« Vielleicht war für mich nie wieder etwas in Ordnung. Wie oft hatte ich das im vergangenen Jahr schon gedacht? »Mir ist nichts passiert. Aber sie haben Caro und Jherrel mitgenommen. Sie sagten, ich soll zur Grasebene gehen, wenn wir die Babys wiederhaben wollen. Wir werden uns Reittiere an der Gabelung nehmen.«
»Sasha und Paloma kommen euch entgegen. Sie bringen Vorräte mit. Tom ist losgegangen, um Akashi zu suchen, um den Kriegsrat zusammenzutrommeln.«
»Ruth wird dazustoßen«, warf Donni ein.
Akashis Stimme. »Ich werde mich mit Tom treffen. In einer Stunde sind wir hinter euch.«
»Hat irgendjemand etwas Ungewöhnliches auf der Grasebene beobachtet?«, fragte ich.
Wieder Sky. »Wir haben Kili losgeschickt, um nachzusehen. Wir haben unseren Ohrempfänger behalten und den zweiten Sasha mitgegeben. Also müssen wir warten, bis Kili zurück ist, bevor wir wissen, ob sie irgendetwas gesehen hat.«
Zum tausendsten Mal wünschte ich mir Gianna zurück. Ich schluckte. »Sonst noch etwas, das wir wissen müssen?«
»Wir hassen sie.«
»Darin sind wir uns einig.«
»Sie haben den Tod verdient.«
Dann verstummte das Stimmengewirr, und ich sah Liam und Kayleen an. Wir rannten gemeinsam den Pfad hinauf. Sich zu bewegen brachte ein klein wenig Erleichterung. Angst und Wut gaben mir die Kraft zum Rennen, und ich blieb bei Verstand, weil ich
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