Das silberne Schiff - [Roman]
Schlafzimmer lag. Im Spiegel sah ich erschöpft und völlig verstört aus. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und bemühte mich, vollständig aufzuwachen, getrieben vom Hunger.
Und ich kam mir vor, als wäre ich jemand anderer, wie eine Gestalt in den erfundenen Geschichten, die Akashi am gemeinschaftlichen Lagerfeuer erzählt hatte.
Man hatte mir frische Kleidung hingelegt – eine einfache blaue Hose und ein grünes Hemd, das sich weich anfühlte. Die Nähte wurden von Datenfäden zusammengehalten, wie die im alten Stirnband meines Vaters, und der Hosenbund war mit einem Muster in verschiedenen Blautönen mit Goldfäden verziert. Inzwischen wusste ich, dass diese Datenfäden lediglich als Verstärker dienten, was eigentlich gar nicht gut für mich war. Warum sollte ich hier irgendwelche Daten verstärken wollen? Ich hätte so gern darauf zugegriffen, um mich zu stabilisieren, um meine Wahrnehmung zu erweitern. Wie zuhause. Wie in der Neuen Schöpfung . Ich blieb verschlossen, verändert, und machte mich auf die Suche nach dem Ursprung des Brotduftes.
Im Erdgeschoss fand ich eine leere Küche von der Größe einer Gemeinschaftsküche auf Artistos, in der komplette Gilden speisten. Der verlockende Geruch kam aus einem Ofen, der in die Wand eingelassen war. Die Oberflächen glänzten – silbriges Metall und natürlich wirkender brauner, grauer und schwarzer Stein. Eine Kochfläche, an der sich die Hälfte der Gemeinschaft hätte verköstigen können, dominierte das Zentrum des großen Raumes, umgeben von Anrichten aus Holz oder Stein. Werkzeug und getrocknete Kräuter, die ich nicht kannte, hingen an den Wänden, und es gab ein breites steinernes Regal mit drei Spülen, das die Hälfte einer Wand mit Fenstern einnahm, durch die Licht auf die Steinflächen fiel.
Draußen vor dem Fenster lenkten helle Farben und Bewegungen meinen Blick auf einen Garten. Rote und goldene Blumen rankten sich an Spalieren empor, Bäume mit braunen und grünen Blättern verrenkten sich zu geometrischen Figuren, die nicht natürlich sein konnten, aber trotzdem völlig stimmig wirkten. Der von einer Mauer umgebene Garten war viel größer als die Küche, so breit wie die Fensterfront, mindestens fünfzehn Meter, und doppelt so lang. Dort gab es Wege und Bänke und große Steine, winzige Rasenflächen und einen kleinen Bach. Riesige purpurrote Blüten an langen Stielen, ein goldener Vogel mit silbernem Schnabel, der genauso künstlich und vollkommen wie Tialas Glocke aussah. Ich ging zu einer Spüle, beugte mich vor und genoss den Ausblick durch das Fenster.
»Gefällt es dir?«
Ich zuckte zusammen, als ich Marcus’ Stimme hörte, als hätte er mich aus einer Trance gerissen.
»Das ist etwas, das ich dir beibringen kann. Wir alle sind Schöpfer auf Silberheim, und die Windleser sind die besten Schöpfer. Du hast die Fähigkeit, Räume voller Schönheit zu schaffen, wenn du möchtest. Für mich ist es eine Möglichkeit, meine Fähigkeiten zu trainieren und gleichzeitig meinen Gleichgewichtssinn zu verfeinern.«
»Aber wie?«, flüsterte ich. »Was hat das Lesen von Daten mit der Erschaffung von so etwas zu tun?«
Marcus trug ähnliche Kleidung wie ich, eine weite blaue Hose und ein einfaches weißgraues Hemd. Er war ein paar Zentimeter größer als ich und etwas dünner, aber eher kräftig und drahtig als schlaksig. Ich erinnerte mich vom Vortag an seine grünen Augen, und nun schienen sie von sämtlichem Grün im Garten erfüllt zu sein. Er räusperte sich. »Alle Lebewesen werden von genetischen Daten bestimmt. Den Datenwind zu lesen ist der erste Schritt, um schließlich diese Daten in veränderten Mustern anzuordnen. Wir haben mehr Erfahrung mit der Erschaffung von Leben als Maschinen, als würde das Leben in uns zum Leben sprechen, das wir erschaffen.« Er grinste mich an. »Seltsamerweise können Maschinen bessere Raumschiffe entwerfen.«
Darüber musste ich lachen, weil es mich im Grunde nicht überraschte. »Das hier muss ewig gedauert haben.«
Sein Lachen klang warm und weich. »Es ist noch nicht fertig. Für das, was du siehst, habe ich fünfzehn Jahre gebraucht.«
Ich konnte mich immer noch nicht vom Fenster losreißen. »Schaffen auch Menschen, die keine Windleser sind, biologische Dinge?«
»Sie könnten Teile hiervon machen – eine Blume oder einen Baum, und manche können sogar Vögel oder Haustiere entwerfen. Meistens funktioniert es am besten, wenn ein Windleser mit jemandem zusammenarbeitet, der ein
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