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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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guter Stratege ist oder eine starke künstlerische Ader hat. Nur ein mächtiger Windleser kann die Wechselbeziehungen erkennen, die für ein komplettes Ökosystem nötig sind. Ein Team ohne Windleser ist dazu nicht imstande.«
    Zwei rot-blaue Vögel, die doppelt so groß wie meine Hand waren, flatterten in verspielten Kreisen durch den Garten, bis sie auf einem Baum landeten, dessen blau-grüne Blätter fast einen Meter lang und breit waren. »Wie schaffst du es, dass die Vögel hierbleiben?«
    »Ich habe sie so entworfen, dass sie hierbleiben wollen. Hier herrscht ein Mikroklima, und die Unterschiede in Temperatur und Luftfeuchtigkeit zwischen dem Garten und dem übrigen Grundstück wirken einer Migration entgegen.« Er hielt kurz inne. »Aber manchmal fliegen sie doch davon. Wenn sie es tun, wünsche ich ihnen viel Glück.«
    »Wirst du auch mir viel Glück wünschen, wenn ich gehe?«
    »Ich werde es tun, wenn die Zeit gekommen ist.« Er nahm mich behutsam am Arm und zog mich vom Fenster fort. Dann führte er mich zu einem kleinen Tisch, der mit Tellern voller Brot und Obst, Gläsern mit Wasser und zwei dampfenden Tassen gedeckt war. Darin befand sich eine schwarze Flüssigkeit, die bitter roch. »Setz dich. Du musst essen.«
    Wohl wahr. Nachdem die Garten-Trance von mir abgefallen war, hörte ich wieder das Geschrei meines Magens. Ich griff nach einer Brotscheibe. »Was ist in der Tasse?«
    »Das ist Col, ein leichtes Anregungsmittel, so etwas wie das traditionelle Morgengetränk auf Silberheim. Die Geschmacksstoffe lassen sich individuellen Vorlieben anpassen. Es aktiviert dein Nervensystem und hilft dir, klarer zu denken. Ich habe dir den Geschmack gegeben, den ich mag – Lukonuss und Butter. Morgen kannst du gern mit eigenen Experimenten beginnen.«
    Ich rümpfte die Nase, als ich den bitteren Geruch wahrnahm, aber ich nahm trotzdem einen Schluck. Das Col schmeckte süßer, als es roch, und ganz anders als alles, was ich jemals probiert hatte. Schon im nächsten Moment wirkten Farben etwas intensiver und Töne klarer. Ich riss ein warmes Brötchen auf und biss hinein. Spürte, wie es mir auf der Zunge zerging. War hier alles besser als die Dinge, die ich bisher gekannt hatte? Ich nahm einen weiteren Bissen und hatte das Brötchen schließlich ganz verzehrt. Dann griff ich nach den seltsamen Früchten und probierte eine, die gelb und rund war. Sie war süß, und etwas Saft lief mir über das Kinn.
    Er beobachtete mich, während seine Augenbrauen immer weiter nach oben wanderten. »Langsam! Dein Körper ist ausgehungert, aber du solltest nicht zu viel essen.« Er nippte von seinem Wasserglas, und ich bemerkte, dass er nur einmal von seiner Scheibe Brot abgebissen hatte. Disziplin. Meine Wangen brannten leicht.
    Marcus trank von seinem Col, und sein Gesicht nahm einen zufriedenen Ausdruck an. Er wirkte gleichzeitig stark und völlig im Einklang mit sich selbst.
    Würde ich jemals diese innere Gelassenheit erreichen? Ich sehnte mich nach Alicia, nach Bryan, nach Jenna. Und nach Chelo. Ich wollte frei sein, aber vorläufig war ich unfreier als die Vögel in Marcus’ Garten. »Womit fangen wir also an?«, fragte ich.
    Er hob eine Hand. »Ich weiß, dass du viele Fragen an mich hast. Zuerst muss ich genug über dich erfahren, um deine ersten Ausbildungstage planen zu können. Erzähl mir von dir und von Fremont. Fang mit deinen ältesten Erinnerungen an.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und musterte mich.
    Also erzählte ich ihm, wie ich als Kriegsbeute aufgewachsen war, wie ich Steven und Therese verloren hatte, wie ich verspottet und bedroht worden war und wie man Bryan zusammengeschlagen hatte.
    An dieser Stelle verstummte Marcus. Nach einer Weile bohrte er weiter. »Erzähl mir von den anderen Kindern, die wie du sind.«
    Sollte ich ihm von uns allen erzählen? Ich musterte sein Gesicht, seine Augen. Ich erkannte darin keine Niedertracht. Geheimnisse, natürlich. Geheimnisse, die ich erfahren wollte. Und Jenna vertraute ihm. Ich kaute auf der Unterlippe und war mir nicht sicher, wie viel ich preisgeben sollte.
    Er nahm eine gelbe Frucht und biss langsam hinein. Und wartete.
    »Von Bryan habe ich dir bereits erzählt. Für Alicia war es am schlimmsten. Sie wurde von einer Sippe adoptiert, die uns hasst, angeführt von einer Frau, die im Krieg ihre Familie verloren hat. Alicias sogenannte Eltern haben sie einmal wie ein Tier eingesperrt.« Meine Hand zitterte als Zeichen meines Zorns, und ich verschüttete

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