Das silberne Zeichen (German Edition)
«Christoph, niemand hat uns damals belauscht. Jedenfalls haben wir beide nichts davon bemerkt. Du dachtest, dein Plan sei absolut sicher. Und das war er ja auch.»
«Nicht sicher genug.» Verzweifelt rüttelte Christoph an dem Gitter. «Wenn es dabei nur um mich ginge … Aber ich habe dich in Gefahr gebracht. Ganz zu schweigen von unserem ungeborenen Kind.»
«Hör auf damit», sagte Marysa streng. «Christoph, ich wusste genau, worauf ich mich eingelassen habe, als ich einwilligte, deine Frau zu werden. Dass ich schwanger bin, macht die Sache nicht einfacher, es sollte jedoch Grund genug für uns sein, jetzt nicht aufzugeben. Ich könnte versuchen, einen bewaffneten Reiter nach Leynhard und dem Boten auszuschicken. Aber niemanden vom Marienstift. Wenn es stimmt, dass Jacobus in die Sache verwickelt ist, können wir nicht wissen, wem wir dort überhaupt noch trauen können. Ich sollte vielleicht den Kaufmann Boecke fragen. Er lässt seine Handelskarawanen immer von Söldnern bewachen. Einer von ihnen …»
«Söldner? Marysa, das ist viel zu gefährlich. Mit diesen Kerlen ist nicht zu spaßen.»
«Das weiß ich selbst», fauchte Marysa. «Was bleibt mir denn anderes übrig?»
«Bitte deinen Stiefvater um Hilfe. Ich will mir nicht auch noch Sorgen machen müssen, weil du dich bei den Söldnern herumtreibst.»
Marysa nickte. Geruscha fiel ihr ein, die ja auch einer Gruppe brotloser Soldaten zum Opfer gefallen war. «Also gut, ich frage Bardolf.»
«Herrin?», tönte es leise vom Fuß der Leiter. «Wollt Ihr noch lange da oben bleiben? Ich hab kein gutes Gefühl dabei. Wenn jemand hier vorbeikommt oder Euch hört, gibt es ein riesiges Aufsehen. Ich finde, wir sollten jetzt nach Hause gehen.»
Marysa blickte zu ihrem besorgten Knecht hinab. «Gleich, Milo. Nur noch einen Augenblick.»
«Milo hat recht.» Christoph lächelte gequält. «Du musst jetzt gehen. Hier heraufzuklettern, war sehr mutig, aber auch dumm.»
«Dumm?»
«Gefährlich», verbesserte Christoph sich rasch. Er trat nahe an das Fenster heran, griff hindurch und zog Marysas Kopf so nah an das Gitter heran, dass er sie küssen konnte. Es sollte nur eine kurze Berührung sein, doch als sich ihre Lippen trafen, seufzte Marysa leise auf und umfasste Christophs Hand, die sanft auf ihrer Wange lag.
Von unten erklang ein verlegenes Räuspern.
«Geh jetzt», murmelte Christoph und küsste sie erneut, dann zog er sich ein Stückchen zurück.
«Ja.» Marysa nickte, schüttelte jedoch sogleich den Kopf. «Nein, warte. Die Sache, deretwegen ich überhaupt hier bin, habe ich ja noch gar nicht erwähnt!»
Christoph trat wieder näher ans Fenster heran. «Was für eine Sache?»
«Herrin?», drängte Milo, doch sie beachtete ihn gar nicht.
«Es geht um die Kette mit dem Pilgerabzeichen», sagte sie und griff in eine versteckte Innentasche ihres Mantels. Sie zog das Schmuckstück hervor und hielt es Christoph unter die Nase. «Woher hast du sie?»
Erstaunt nahm er ihr das Abzeichen aus der Hand und musterte es. «Das könnte ich ebenso dich fragen.»
Marysa lächelte schmal. «Ich habe deine Sachen aus der Herberge in mein Haus bringen lassen und sie durchgesehen.» Sie blickte ihm fragend in die Augen. «Woher hast du die Kette?»
«Aus Trier. Es war eine spontane Idee, Marysa. Die Kette sollte für dich sein.»
«Für mich? Solchen Schmuck trage ich doch gar nicht.»
«Nicht als Schmuck.» Christoph hob die Schultern. «Wie gesagt, es war eine spontane Idee. Als ich das Abzeichen bei dem Trierer Höker sah, dachte ich, dass du – wir – daraus etwas machen könnten. Etwas wie den Amuletthandel, den du mit dem Dompfaffen begonnen hast. Ich wusste davon ja nichts; es schien mir einfach eine lukrative Idee zu sein.»
«Christoph, dies hier ist eines der Abzeichen, die van Hullsen für uns angefertigt hat. Eines der echten!»
«Bist du sicher?»
«Ja. Schau!» Sie nahm ihm das Abzeichen aus der Hand und drehte es um. «Siehst du die Gravur hier? Das ist ein H, van Hullsens Kennzeichen.»
«Ich dachte, van Hullsen sei tot.»
Marysa nickte. «Das ist er. Er wurde überfallen und ermordet. Bei ihm fand man einige der gefälschten Abzeichen, nicht aber die echten.»
«Also stellt sich die Frage, wie ein Höker aus Trier an die echten Zeichen gelangen konnte», folgerte Christoph.
«Ich muss mit van Oenne darüber sprechen, sobald er wieder in der Stadt ist. Weißt du, wie der Mann heißt, dieser Höker?»
Christoph schüttelte den Kopf. «Nein,
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