Das Silmarillion
wusste, ihr Abschied von Thingol war Vorbote eines größeren Abschieds, und das Schicksal von Doriath war nahe. Denn Melian war vom göttlichen Geschlecht der Valar, und sie war eine Maia von hoher Kraft und Weisheit; aus Liebe zu Elwe Singollo aber hatte sie die Gestalt der Älteren Kinder Ilúvatars angenommen, und in dieser Vermählung banden sie die Fesseln des Fleisches von Arda. In dieser Getalt gebar sie ihm Lúthien Tinúviel, und in dieser Gestalt erlangte sie Macht über die Stoffe von Arda, und durch Melians Gürtel blieb Doriath lange Alter hindurch vor dem Unheil ringsum bewahrt. Doch nun war Thingol tot, und sein Geist war in Mandos’ Hallen gegangen; und eine Wandlung kam mit seinem Tode auch über Melian. So geschah es, dass ihre Macht zu jener Zeit aus den Wäldern von Neldoreth und Region genommen wurde, und der verzauberte Fluss Esgalduin sprach mit anderer Stimme, und Doriath lag seinen Feinden offen.
Drauf sprach Melian mit keinem mehr, nur Mablung bat sie, den Silmaril zu verwahren und eilends Nachricht an Beren und Lúthien zu senden; und sie verschwand aus Mittelerde und ging in das Land der Valar jenseits des Westmeeres, um in den Gärten von Lórien, von wo sie gekommen war, über ihr Leid nachzusinnen; und in dieser Geschichte ist von ihr nicht mehr die Rede.
So kam es, dass das Heer der Naugrim über den Aros hinweg ungehindert in die Wälder von Doriath eindrang; und niemand widerstand ihnen, denn sie waren zahlreich und voller Zorn, während die Hauptleute der Grauelben unschlüssig und verzweifelt und ohne Plan umherirrten. Die Zwerge aber kannten ihr Ziel, überschritten die große Brücke und stürmten Menegroth, und was dort geschah, ist eines der unseligsten Ereignisse der Ältesten Tage. Denn in den Tausend Grotten wurde gekämpft, und viele Elben und Zwerge fielen; und dies wurde nicht vergessen. Doch die Zwerge trugen den Sieg davon, und Thingols Hallen wurden verwüstet und geplündert. Dort fiel Mablung von der Schweren Hand, vor der Tür der Schatzkammer, worin das Nauglamír lag; und der Silmaril wurde weggenommen.
Zu jener Zeit lebten Beren und Lúthien noch auf Tol Galen, der Grünen Insel im Flusse Adurant, dem südlichsten der Wasserläufe, die von den Ered Lindon herab dem Gelion zufließen; und ihr Sohn Dior Eluchíl hatte Nimloth zur Gattin, eine Verwandte Celeborns, des Edlen von Doriath, der mit Frau Galadriel vermählt war. Die Söhne von Dior und Nimloth waren Eluréd und Elurín, und auch eine Tochter wurde ihnen geboren, Elwing mit Namen, was Sternengischt bedeutet, denn sie war in einer Nacht geboren, in der die Sterne in der Gischt des Wasserfalls von Lanthir Lamath glitzerten, neben dem Haus ihres Vaters.
Rasch verbreitete sich nun die Nachricht unter den Elben von Ossiriand, dass eine große Schar Zwerge in voller Kriegsrüstung die Berge heruntergekommen und bei der Furt der Steine über den Gelion gegangen sei. Die Meldung erreichte bald auch Beren und Lúthien, und zur selben Zeit kam ein Bote aus Doriath, der ihnen berichtete, was dort geschehenwar. Da machte Beren sich auf und verließ Tol Galen, und nachdem er Dior, seinen Sohn, herbeigerufen, gingen sie nach Norden zum Flusse Ascar; und mit ihnen gingen viele Grünelben aus Ossiriand.
So geschah es, dass die Zwerge von Nogrod, als sie, mit verminderter Heeresstärke aus Menegroth zurückkehrend, wieder nach Sarn Athrad kamen, von unsichtbaren Feinden angegriffen wurden; denn als sie die Ufer des Gelion emporstiegen, mit dem Raub von Doriath beladen, da erschollen aus allen Wäldern plötzlich die Elbenhörner, und von allen Seiten trafen sie die Pfeile. Viele der Zwerge wurden dort schon beim ersten Angriff getötet; doch manche entkamen dem Überfall und flohen, sich dicht beieinander haltend, nach Osten den Bergen zu. Und als sie die langen Hänge des Dolmed erklommen, da traten ihnen die Hirten der Bäume entgegen und trieben sie in die schattigen Wälder der Ered Lindon. Und von dort, so heißt es, sei kein Einziger wieder hervorgekommen, um die hohen Pässe zu ersteigen, die in ihre Heimat führten.
In jener Schlacht bei Sarn Athrad kämpfte Beren seinen letzten Kampf und erschlug mit eigener Hand den Fürsten von Nogrod und nahm ihm das Halsband der Zwerge ab; im Sterben aber sprach der Zwerg einen Fluch über den ganzen Schatz. Mit Erstaunen sah Beren denselben Stein Feanors, den er aus Morgoths Eisenkrone geschnitten, denn er leuchtete nun zwischen Gold und Gemmen, wohin ihn die Kunst
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