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Das Silmarillion

Das Silmarillion

Titel: Das Silmarillion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien , Christopher Tolkien
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Nachtwachen dort sahen ihn, doch waren sie voller Furcht, meinten sie doch den Geist eines alten Kriegers zu sehen, der, seinem Grabe entstiegen, umging, in Dunkel gehüllt; und so wurde Húrin nicht angehalten und kam schließlich zu dem Platz, wo Glaurung verbrannt war, und sah den großen Stein am Rande der Schlucht von Cabed Naeramarth.
    Doch Húrin blickte den Stein nicht an, denn was dort geschrieben stand, wusste er; und er bemerkte, dass er nicht allein war. Im Schatten des Steines saß eine Frau, über ihre Knie gebeugt, und als Húrin stumm vor ihr stehen blieb, da warf sie ihren zerlumpten Umhang zurück und hob das Gesicht. Grau war sie und alt, doch plötzlich blickten ihre Augen in die seinen, und er erkannte sie, denn obgleich sie wild und voll Angst waren, schien immer noch das Licht aus ihnen, um dessentwillen man sie einst Eledhwen genannthatte, die schönste und stolzeste unter den sterblichen Frauen der alten Tage.
    »Endlich kommst du«, sagte sie. »Ich habe zu lange gewartet.«
    »Der Weg war dunkel. Ich bin gekommen, sobald ich konnte«, antwortete er.
    »Aber du kommst zu spät«, sagte Morwen. »Sie sind weg.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Aber du nicht.«
    Doch Morwen sagte: »Beinahe. Ich bin erschöpft. Ich gehe mit der Sonne. Viel Zeit ist nicht mehr: Wenn du es weißt, erzähl mir – wie hat sie ihn gefunden?«
    Aber Húrin antwortete nicht, und sie saßen neben dem Stein und sprachen nicht mehr; und als die Sonne unterging, da stöhnte Morwen und drückte seine Hand und war still; und Húrin wusste, dass sie gestorben war. Er sah im Dämmerlicht auf sie nieder, und es schien ihm, als wären die Linien des Schmerzes und der grausamen Entbehrungen weggewischt. »Sie war unbesiegt«, sagte er und schloss ihr die Augen und blieb dann regungslos neben ihr sitzen, während die Nacht kam. Die Wasser in der Cabed Naeramarth tosten wie immer, doch er hörte keinen Laut, sah nichts und fühlte nichts, denn sein Herz war wie Stein. Doch es kam ein kalter Wind und blies ihm scharfen Regen ins Gesicht; und er kam zu sich, und Zorn stieg in ihm auf wie Rauch, die Vernunft erstickend, so dass er nichts weiter begehrte als Rache für alles Unrecht, das er und die Seinen erlitten, und in seinem Schmerz gab er allen Schuld, die je mit ihnen zu schaffen gehabt. Dann stand er auf und grub ein Grab für Morwen, über der Cabed Naeramarth auf der Westseite des Steines; und darauf ritzte er diese Worte ein: Hier liegt auch Morwen Eledhwen.
    Es heißt, ein Seher und Harfenspieler aus Brethil namens Glirhuin habe ein Lied gemacht, worin es heißt, der Stein der Unglücklichen könne selbst von Morgoth nie entweiht noch jemals umgeworfen werden, und sollte auch das Meer alles Land ertränken; und so geschah es hernach, und immer noch steht Tol Morwen allein in den Wassern, weit vor den neuen Küsten, die im Zorn der Valar erschaffen wurden. Doch Húrin liegt nicht dort, denn ihn trieb das Schicksal weiter, und der Schatten folgte ihm noch immer.
    Nun überschritt Húrin den Teiglin und ging nach Süden die alte Straße entlang, die nach Nargothrond führte; und im Osten sah er von fern die einsame Höhe des Amon Rûdh, und was dort geschehen war, wusste er. Endlich kam er an die Ufer des Narog und wagte den Übergang über den reißenden Fluss auf den herabgestürzten Steinen der Brücke, wie es vor ihm Mablung aus Doriath gewagt; und er stand vor Felagunds zerbrochenen Toren, auf seinen Stab gestützt.
    Hier muss erzählt werden, dass, nachdem Glaurung fort war, Mîm der Kleinzwerg sich in Nargothrond eingefunden hatte und in die zertrümmerten Hallen gekrochen war; und er nahm sie in Besitz und saß dort und betastete das Gold und die Gemmen und ließ sie sich immer von neuem durch die Finger gleiten, denn niemand kam, ihn zu berauben, aus Furcht vor dem Geist und dem bloßen Andenken Glaurungs. Doch nun war einer gekommen und stand auf der Schwelle, und Mîm trat heraus und verlangte zu wissen, was er begehre. Doch Húrin sagt: »Wer bist du, dass du mich hindern willst, Felagunds Haus zu betreten?«
    Da antwortete der Zwerg: »Ich bin Mîm, und ehe die Stolzen noch über das Meer kamen, hatten Zwerge schon die Hallen von Nulukkizdîn gegraben. Ich bin nur zurückgekehrt, um zu nehmen, was mein ist, denn ich bin der Letzte meines Volkes.«
    »Dann wirst du an deinem Erbe keine Freude mehr haben«, sagte Húrin; »denn ich bin Húrin, Galdors Sohn, zurück aus Angband, und mein Sohn war Túrin Turambar, den

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